Julia Extra Band 367
habe nicht vor, in aller Öffentlichkeit als Narr dazustehen, weil meine Ehe schon nach wenigen Tagen gescheitert ist.“
„Es geht dir also nur um deinen Ruf, ja?“
„Was denkst du denn? Ich habe ihn mir hart erarbeitet und werde ihn mir nicht von dir zerstören lassen! Wenn du in meinen Vorschlag einwilligst, bekommst du, was du von Anfang an wolltest. Du behältst das Gutshaus, und ich sorge im Gegenzug für deine Kooperation für eine großzügige Abfindung.“
Sein Ton war hart und geschäftsmäßig. Lily hatte das Gefühl, einem Fremden gegenüberzustehen. „Was meinst du mit meiner ‚Kooperation‘?“
„Ganz einfach. Du spielst sechs Monate lang meine liebende Ehefrau, danach werden wir aller Welt erklären, dass du zu großes Heimweh nach England hast und wir uns deshalb freundschaftlich trennen.“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Ich glaube nicht, dass du das tust.“ Seine dunklen Augen blitzten eisig. „Du bist nämlich gar nicht in der Position, dich weigern zu können.“
Sie wollte ihm widersprechen, besann sich aber anders. Denn tatsächlich fühlte sie sich plötzlich unendlich müde. Im Moment jedenfalls hatte sie nicht die Kraft, nach England zurückzukehren und die Scherben ihres alten Lebens wieder zusammenzufügen.
9. KAPITEL
„Du bist so still heute Abend.“
Ciros Worte rissen Lily aus ihren Gedanken, und sie erschauerte unwillkürlich, als er sich zu ihr auf den Balkon gesellte. Weil er wie stets alles dominierte, kam ihr die großzügige Dachterrasse der Wohnung plötzlich klein und beengt vor. Das Funkeln der Sterne am samtschwarzen Nachthimmel, das Plätschern der Wellen in der Bucht, all das schien bedeutungslos zu werden, sobald Ciro neben ihr auftauchte. Sie spürte die Wärme seines Körpers, atmete den Duft seines Aftershaves ein und war hoffnungslos verloren, egal wie oft sie sich sagte, dass es gefährlich war, noch solche Gefühle für ihn zu hegen. Sie fühlte sich immer noch magisch zu ihm hingezogen.
Erst kurz zuvor waren sie nach Hause gekommen, und Lily war mit einem Drink nach draußen gegangen, um die milde Nachtluft und den Ausblick auf die Bucht zu genießen, den sie inzwischen richtig lieben gelernt hatte. Die besondere Magie der süditalienischen Stadt hatte während der vergangenen Monate ihr Herz erobert … ein Herz, für das sich ihr Ehemann nicht interessierte.
„Der Abend hat dir nicht gefallen?“, erkundigte er sich nun.
Lily hielt das Gesicht in die sanfte Brise und verkniff sich ein Seufzen. Wusste er denn wirklich nicht, was sie beschäftigte? War ihm nicht klar, dass auch eine noch so wundervolle Oper oder After-Show-Party oder was sonst für ein Glamour-Event ihr angespanntes Eheleben nicht aufwog? Dass jeder seiner unversöhnlichen Blicke sie wie ein Dolchstoß mitten ins Herz traf?
Ganz einfach , hatte Ciro in ihrer Hochzeitsnacht gesagt, als er ihr, um den Schein zu wahren, die sechsmonatige Ehe vorgeschlagen hatte.
Doch es war nicht einfach, sondern so kompliziert wie nur irgend möglich.
Nachdenklich blickte sie auf die glitzernde Wasseroberfläche in der Bucht und die dunkle Silhouette des Vesuvs in der Ferne. Fand Ciro es wirklich so einfach, die Fassade des glücklichen frischvermählten Paares zu wahren, die doch so weit von der Wahrheit entfernt war?
Das Problem war, dass es ihm, anders als ihr, tatsächlich so leicht zu fallen schien. Wenn er sie zum Beispiel anderen Leuten vorstellte, legte er immer eine Hand auf ihren Rücken, als fiele es ihm schwer, die Finger von ihr zu lassen. Und Lilys Herz pochte erregt, wenn er ihr dann sacht den Rücken streichelte. Doch sie brauchte nur seinem kalten Blick zu begegnen, um zu begreifen, dass er ihr nicht verziehen hatte.
Mit anderen Worten, ihr Ehemann war entweder ein brillanter Schauspieler, der seine Gefühle geschickt zu verbergen wusste. Oder er empfand einfach nichts mehr für sie. Der Blitz, der ihn einst bei ihrem Anblick getroffen hatte, war durch ihre Täuschung ausgelöscht worden.
Gleich am Morgen nach der Hochzeit hatte Ciro den für die Flitterwochen geplanten Yachttrip entlang der Amalfi-Küste abgesagt. Lily hatte sich eingeredet, dass es besser so sei. Denn konnte es etwas Schlimmeres geben als mit einem Mann, der so bitterböse auf sie war, auf einem Boot festzusitzen? Trotzdem brach es ihr das Herz.
Sie zogen aus der Hochzeitssuite aus und in Ciros neapolitanische Wohnung. Lily versuchte sich einzureden, dass es unter den gegebenen Umständen nicht
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