Julia Extra Band 367
heute vor?“ Sein Blick ruhte mit unverhohlenem Verlangen auf ihr, während er sich noch die Krawatte band.
Versteckt hinter der Sonnenbrille, beobachtete Lily ihn genau. Sein schwarzes Haar glänzte noch feucht vom Duschen, und er strahlte eine unbändige Vitalität und Energie aus. Und obwohl er, bekleidet mit einem leichten Sommeranzug, kühl und geschäftsmäßig wirkte, wurde sie von heißer Lust gepackt.
Und von Schuldgefühlen. Wie so oft in dieser Zeit. Wenn sie daran dachte, wie sie vergangene Nacht in seinen Armen wieder einmal sich selbst vergessen hatte, wie sie, als sie kam, seinen Namen gestöhnt hatte … es war so leicht, alle nagenden Zweifel zu vergessen, wenn sie auf so unbeschreiblich lustvolle Weise eins mit ihm war. Wie stets hatte sie sich einfach in ihrer Leidenschaft verloren und jede Sekunde genossen, die er sie in eine Welt berauschender Sinnlichkeit entführt hatte, und danach hatte sie …
„Du errötest?“ Ciro zupfte seine Krawatte zurecht und griff nach seiner Tasse. „Du liebe Güte, es ist lange her, seit ich dich habe erröten sehen.“
Der Unterton in seinen Worten ärgerte sie. „Vielleicht meinst du ja, dass nur Frauen mit einem intakten Hymen das Recht haben, zu erröten?“
„War das nicht ein bisschen geschmacklos, meine Liebe?“
„Was du natürlich niemals bist!“
Seine dunklen Augen blitzten auf. „In der vergangenen Nacht hattest du keinen Grund zur Klage.“
„Ich bezweifle, ob sich in diesem speziellen Bereich jemals eine Frau über dich beklagt hat, Ciro.“
Erneut durchzuckte ihn heißes Verlangen. Um sich abzulenken, trat er an die Brüstung der Terrasse, als wollte er den Ausblick auf die Bucht genießen. Er war mit dieser malerischen Aussicht aufgewachsen, und dennoch schien sie jetzt kaum merklich verändert … wie sich alles Vertraute in seinem Leben verändert hatte.
Hatte er wirklich geglaubt, dass es leicht sein würde, diesen Schein einer Ehe zu wahren? Dass er sich sechs kurze Monate mit Lily vergnügen und sich dabei gefühlsmäßig immer weiter von ihr entfernen würde? Ja, natürlich hatte er das geglaubt, weil er wollte, dass es so geschah. Und Ciro war ein Mann, der stets dafür sorgte, dass die Dinge so geschahen, wie er es wollte.
Nur leider war es in diesem Fall nicht so eingetreten, wie er es sich vorgestellt hatte. Seine Gefühle für Lily waren nicht erkaltet … ob im Bett oder nicht, er begehrte sie immer noch genauso sehr wie am Anfang. Egal, wie oft er sich klarmachte, dass sie eine Lügnerin war, die ihm etwas vorgetäuscht hatte, um sich ihre Zukunft zu sichern. Dass sie nie begreifen würde, was einen echten Neapolitaner bewegte. Es änderte sich nichts – was ihn kolossal irritierte. Was hatte diese Frau an sich, dass sie den unbändigen Wunsch in ihm wachrief, sich ganz in ihren Armen zu verlieren … als könnte er allein bei ihr Ruhe und Frieden finden?
„Ciro?“
„Was ist?“ Ärgerlich über seine Schwäche, drehte er sich zu ihr um. Das lange blonde Haar fiel ihr in seidigen Kaskaden bis zur Taille, und sie bot einen so verführerischen Anblick, dass er ernsthaft überlegte, ob er seine erste Besprechung verschieben könnte, um erneut mit Lily ins Bett zu gehen.
„Du hast mich gefragt, was ich heute vorhabe.“
„Hab ich das?“
Sie rang sich ein Lächeln ab, war aber eigentlich ganz froh, dass er an diesem Morgen so zerstreut wirkte. Denn ihm würde nicht gefallen, was sie zu sagen hatte. „Ich dachte, ich gehe deine Mutter besuchen.“
Sofort horchte er auf. „Und warum solltest du das tun?“
„Weil sie deine Mutter ist. Und weil ich deine Frau bin.“
„Aber du bist doch nicht wirklich meine Ehefrau, wie wir beide genau wissen!“
„Mag sein, aber deine Mutter weiß das nicht. Und wenn du den Schein wahren willst, sollte ich sie auch besuchen. Außerdem mache ich es gern. Ich kann nicht die ganze Zeit alte Kirchen besichtigen und dabei meinen Italienischkurs über Kopfhörer hören, während du hinausgehst und die nächste Million verdienst.“
Er hatte sich sowieso schon gefragt, warum sie sich so viel Mühe damit machte, eine Sprache zu lernen, für die sie bald keine Verwendung mehr haben würde. Aber Lily war der Meinung, eine neue Sprache zu erlernen wäre nie Zeitvergeudung. Anscheinend hatte er damit gerechnet, dass sie es kaum erwarten könnte, das Geld mit vollen Händen auszugeben, zu dem sie als seine Ehefrau Zugang hatte. Aber sehr zu Ciros Überraschung war dem überhaupt
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