Julia Extra Band 367
mit dir nicht länger weiterspielen. Ich will zurück nach England.“
„Das kannst du nicht!“
„Warum? Willst du es mir verbieten? Willst du die Rolle des Tyrannen noch weitertreiben, indem du mich daran hinderst? Mich ans Sofa kettest?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte sie ins Bad, schlug die Tür hinter sich zu und schloss ab. Ihr Herz pochte heftig, als sie ihr blasses Gesicht im Spiegel betrachtete. Sie wusste, dass es einen unfehlbaren Weg gab, ihre Freiheit zurückzugewinnen. Aber konnte sie es wirklich tun?
Nach zehn Minuten hörte sie Ciro draußen ihren Namen rufen, und ihr war klar, dass sie ihm gegenübertreten musste. Was wäre sonst der Sinn ihrer ganzen Aktion gewesen? Langsam öffnete sie die Tür. Noch bevor sie sich ganz gezeigt hatte, sah sie das Entsetzen in seinen Augen und hörte, wie er geschockt einatmete.
„Per l’amor del cielo!“ , rief Ciro fassungslos aus. „Was hast du getan?“
Ungläubig blickte er an ihr vorbei ins Bad, wo der Boden mit ihren abgeschnittenen blonden Locken bedeckt war. Trotzig begegnete Lily seinem entsetzten Blick.
„Was ich getan habe? Ich habe mein Versprechen gebrochen.“ Ihre Stimme zitterte, weil der Abscheu in seinem Gesicht nicht zu missverstehen war. Zum ersten Mal wich sie vor Ciro zurück, als er die Hand ausstreckte, um sie zu berühren. Wie hatte sie sich überhaupt nur dieser schrecklichen Situation ausliefern können? Sich Nacht für Nacht einem Mann hingeben können, der sie doch so offensichtlich verachtete? Besaß sie denn keinen Stolz, keine Selbstachtung mehr?
„Ich habe mein Haar abgeschnitten!“, sagte sie laut und deutlich. „Obwohl ich versprochen hatte, es nie zu tun, habe ich es jetzt getan. Ich habe mein Versprechen gebrochen und sehe das als einen symbolischen und unwiderruflichen Akt. Ich befreie dich damit von unserer Ehe, Ciro … und mich ebenso. Und ich will, nein, ich muss nach Hause zurück.“
10. KAPITEL
Er hinderte sie nicht. Das erschütterte Lily am meisten. Ciro machte keinen Versuch, sie davon abzubringen, abzureisen. Aber hatte sie wirklich etwas anderes erwartet? Hatte sie sich eingebildet, ihr stolzer, unversöhnlicher Ehemann würde einlenken und sie bitten zu bleiben? Um diese Farce einer Ehe aufrechtzuhalten?
Im Gegenteil, sie war bestürzt, wie schnell er auf ihr Verlangen, nach Hause zurückzukehren, reagierte. Als wäre ihm plötzlich klar geworden, dass eine Frau, die sich aus einer hysterischen Laune heraus das Haar abschneidet, sowieso nie eine passende Frau für einen Neapolitaner aus ersten Kreisen geworden wäre.
„Vielleicht ist es ja am besten so“, sagte er nur mit versteinerter Miene. „Wann möchtest du fliegen?“
„Sobald wie möglich!“ Es wäre nur eine Qual für sie gewesen, diesen unerträglichen Zustand unnötig zu verlängern. „Noch heute Nachmittag, wenn ich kann.“
Ciros Blick schweifte stumm zwischen den abgeschnittenen seidigen Locken auf dem Badezimmerboden und dem geschorenen Rest auf Lilys Kopf hin und her. „Möchtest du nicht lieber vorher zum Friseur?“
Eine Frage, die ihren Kummer nur noch vermehrte … auch wenn sie wahrscheinlich berechtigt war. Denn ihr Anblick mit den schief und krumm abgeschnittenen Locken konnte den Namen D’Angelo durchaus in Misskredit bringen.
Trotzig schüttelte Lily den Kopf. „Nein, ich verstecke es unter einem Hut.“ Ihre Stimme klang auch in ihren eigenen Ohren ein wenig hysterisch, als sie noch hinzufügte: „Und wer weiß? Vielleicht starte ich einen ganz neuen Trend für Do-it-yourself-Frisuren.“
Er betrachtete sie schweigend, von Emotionen bestürmt, die er nicht genau analysieren wollte. Das kurze Haar ließ die blauen Augen in ihrem Gesicht noch größer erscheinen. Ausdrucksvolle blaue Augen, in denen jetzt Tränen schimmerten.
„Ich lasse meine Anwälte einen Vertrag aufsetzen. Das Gutshaus wird als Teil der Scheidungsvereinbarung in deinen Besitz übergehen, und ich stehe auch zu meinem Versprechen, das Kunststudium deines Bruders zu finanzieren.“ Er lachte spöttisch. „Auf diese Weise nimmst du aus dieser Ehe genau das mit, weshalb du sie überhaupt eingegangen bist: ungeahnte Reichtümer, die deine kühnsten Träume übersteigen, stimmt’s?“
Dieser ungerechte Vorwurf traf Lily wie eine Ohrfeige. „Ich will keinen Cent von dir!“
„Du willst das Gutshaus.“
Sie schüttelte heftig den Kopf. „So sehr will ich es wieder nicht!“ Würde sie sich nicht beschmutzt fühlen, wenn man
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