Julia Extra Band 367
zur Sicherheit auf Italienisch.
Ciro grübelte darüber nach. Er beauftragte jemand in London, Erkundigungen über Lily einzuholen, und was er erfuhr, überraschte ihn noch mehr. Sie war nach Chadwick Green zurückgekehrt, wohnte wieder in der kleinen Wohnung über der Teestube und hatte ihre Arbeit als Kuchenbäckerin und Kellnerin wieder aufgenommen. Es verblüffte ihn, dass sie sich mit so wenig zufrieden geben sollte, wo sie so viel hätte haben können. Zweifel keimten auf. Bis ihm aus derselben Quelle eine Information zugetragen wurde, die alles ins rechte Licht zu rücken schien.
Lily hatte die Perlen ihrer Mutter versteigern lassen.
Mit gewisser Befriedigung las Ciro, dass der Kaufpreis des wunderschönen alten Colliers um ein Vielfaches über dem Mindestgebot gelegen hatte. Ein anonymer Käufer aus den USA hatte den Zuschlag erhalten. So viel zu sentimentalen Gefühlen! Ciro dachte daran, wie Lily ihm mit Tränen erfüllten Augen erzählt hatte, dass ihre Stiefmutter die Perlen mitgenommen habe. Und er erinnerte sich an ihre rührende Dankbarkeit, als er ihr die Perlen zurückgebracht und sie ihr angelegt hatte. Damals hatte er geglaubt, sie habe an ihre Mutter gedacht. Doch die Wahrheit war anscheinend wesentlich profaner und materialistischer. Lily kannte natürlich den beachtlichen Wert des Perlencolliers und wusste, dass es ihr eine finanzielle Reserve verschaffen konnte … bis sie einen anderen Dummen fand, der sie aushielt.
Ciro stürzte sich also in seine Arbeit, um Lily endlich zu vergessen, doch in derselben Woche erhielt er eine Postkarte aus England. Sie kam von Lilys Bruder und zeigte eine eigenwillige Komposition aus grellen Farben, die er offensichtlich selbst gemalt hatte. Die Nachricht auf der Rückseite war nur kurz.
Hi Ciro, habe das O. K. von der Kunstakademie. Fange im September an. Wollte Dir nur danken (vielleicht sollte ich besser sagen: mille grazie! ), weil Du das alles ermöglicht hast. Bis bald, Jonny.
Verständnislos betrachtete Ciro die Karte. Jonnys Nachricht legte nahe, dass der Junge keine Ahnung hatte, dass seine Schwester und er sich getrennt hatten. Mehr noch, schien Jonny davon auszugehen, dass Ciro seine Studiengebühr bezahlt hatte. Was, zum Teufel, ging da vor?
Plötzlich dämmerte es ihm. Die einzig mögliche andere Geldquelle kam ihm in den Sinn und zugleich, was das bedeutete. Betroffen ballte er die Hände zu Fäusten. Hatte Lily die ihr so kostbaren Perlen ihrer Mutter verkauft, um ihrem kleinen Bruder das Studium zu finanzieren? Hatte er sie die ganzen Zeit völlig falsch eingeschätzt?
Er blickte hinaus auf das blaue Wasser in der malerischen Bucht und sah doch nichts als die Tränen in den schönen Augen seiner Frau, als sie ihm Adieu gesagt hatte. Was hatte er getan?
Ciro stand da auf der Terrasse, bis die Sonne am Horizont versank. War es zu spät, Lily um Verzeihung zu bitten? Eine Verzeihung, die er nicht verdiente und die seine so stolze und trotzige Lily ihm vermutlich auch nicht geben würde? Schließlich fasste er einen Entschluss und ging in die Wohnung, um seinen Pass zu holen. Auch wenn es vielleicht zu spät war, musste er es wenigstens versuchen.
Vorher aber gab es noch etwas anderes zu erledigen.
Obwohl die Fenster blitzblank glänzten, machte Lily sich entschlossen daran, sie zu putzen. Danielle zog sie schon damit auf, dass sie ein richtiger Putzteufel geworden sei, aber Lily fand eben Hausarbeit seltsam beruhigend. Man musste nicht allzu viel dabei nachdenken, und als Nebeneffekt trug es zur Verschönerung der kleinen Wohnung bei. Am liebsten hörte Lily dabei Telefon-Talkshows im Radio. Es war so viel leichter, anderen Leuten beim Reden zuzuhören, als selber zu reden. Wenn man sie dieser Tage fragte, wie es ihr ging, wusste sie nicht, was sie antworten sollte. Sie hoffte, dass mit der Zeit die Wunden verheilen würden und sie sich wieder in ihrem alten Leben einrichten würde.
Schon seit einem Monat war sie jetzt wieder in Chadwick Green, und in vieler Hinsicht schien sich nichts verändert zu haben. Die Teestube, ihre kleine Wohnung und nicht zuletzt ihre Freunde waren immer noch da. Danielle hatte sie mit offenen Armen empfangen, und Fiona hatte ihr sofort den alten Job wiedergegeben. Aber natürlich machten sie sich Sorgen um sie. Nicht zuletzt der Anblick ihres radikalen Haarschnitts hatte ihre Freunde schockiert.
Danielle fragte natürlich nach, was in Neapel geschehen war, und Lily war auch versucht, sich ihr anzuvertrauen.
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