Julia Extra Band 367
weil er sich weigert, überhaupt mit mir darüber zu reden.“
Lily, die beide Seiten verstehen konnte, wurde von Traurigkeit überwältigt. Den kleinen Jungen, der seine Mutter vor den fremden Männern beschützen wollte, die er ablehnte, und der noch nicht begreifen konnte, dass sie als Frau noch etwas anderes als die Liebe ihres Kindes brauchte. Und Leonora, die vergeblich versuchte hatte, einen Mann zu finden, der ihm eine Vaterfigur sein konnte. Mit der Zeit waren die Barrieren zwischen Mutter und Sohn dann unüberwindlich geworden.
Plötzlich fand Lily es eher verständlich, warum Ciro auf die Entdeckung, dass er nicht ihr erster Mann war, so unversöhnlich reagiert hatte. Hatte er sie in eine Reihe mit seiner Mutter gestellt, die aus seiner Sicht einen Mann nach dem anderen angeschleppt hatte? Er war ein Mann, der die Dinge schwarz oder weiß sah … auch die Frauen. Vor allem die Frauen. Madonna oder Hure. Eine Ansicht, die viele Männer teilten.
„Könntest du nicht mit ihm reden?“, fragte Signora D’Angelo unvermittelt. „Ihm erklären, in welcher Lage ich mich damals befand?“
Lily höre das Zittern in ihrer Stimme und erhaschte plötzlich einen Blick hinter die kühle elegante Fassade ihrer Schwiegermutter. Sie sah eine im Grunde immer noch sehr einsame Frau, die Angst hatte, alt zu werden und zu sterben, ohne sich mit ihrem einzigen Kind versöhnt zu haben.
„Ich kann es versuchen“, versprach sie. Was hatte sie zu verlieren? Selbst wenn Ciro wütend über ihre Einmischung war, würde das doch zwischen ihnen sowieso nichts ändern, oder? Schon bald würde sie ihn – und Neapel verlassen. Das war längst entschieden. Wenn sie in dem Gefühl gehen konnte, zur Versöhnung zwischen Mutter und Sohn beigetragen zu haben, würde aus dem ganzen Schlamassel wenigstens noch etwas Gutes entstanden sein.
Es war, als hätte Leonora D’Angelos Geständnis sie wachgerüttelt. Angestrengt bemüht, in einer so feindseligen Umgebung zu überleben, hatte Lily ganz vergessen, wer sie wirklich war. Unbemerkt hatte sie aufgehört, die Lily zu sein, die nichts mehr liebte, als um sich her ein warmes Nest zu bauen. Aber gerade in die Frau, die Kuchen backte und für ein gemütliches Heim sorgte, hatte Ciro sich doch verliebt. Auch wenn er wegen der empfundenen Täuschung immer noch wütend auf sie war, konnte es ihr vielleicht gelingen, ihn daran zu erinnern, wie sie bei ihrem ersten Kennenlernen gewesen war und was es ihm bedeutet hatte.
Sie begriff plötzlich, warum Ciro sich weigerte, über die selbstgesteckten Grenzen hinauszublicken. Es war ein Schutz, damit er nicht noch einmal so verletzt wurde, wie er als Kind verletzt worden war. Ein starker Mann wie er zeigte nur ungern Schwäche, aber konnte sie es nicht vielleicht schaffen, ihn davon zu überzeugen, dass sie ihm niemals wehtun würde … nie wieder? Dass sie ihn von ganzem Herzen lieben und immer treu und loyal zu ihm stehen würde, wenn er ihr den einen Fehler verzieh?
Voller Hoffnung suchte Lily sich in der Nähe der Wohnung einen kleinen Laden und kaufte kurz entschlossen die Zutaten für einen Kuchen … sehr zur Überraschung der alten Ladenbesitzerin an der Kasse, die es wohl seltsam fand, dass die junge blonde Touristin, die so gebrochen Italienisch sprach, einen Kuchen backen wollte.
In der Wohnung machte sie sich dann gleich ans Werk. Der hypermoderne Herd in Ciros Küche sah aus, als wäre er noch nie benutzt worden, und eine Backform war auch nicht zu finden, aber Lily behalf sich mit einem Backofenblech. Es war wunderbar, wieder zu backen. Jeder einzelne Handgriff war ihr so vertraut … das Abwiegen der Zutaten, das Aufschlagen der Eier, das Rühren des Teigs, das Auspressen der saftigen Zitronen aus der Gegend. Schon bald durchzog der unvergleichliche Duft von frisch gebackenem Zitronenkuchen Ciros alte Junggesellenwohnung.
Kurz nach sechs hörte Lily, wie Ciro die Wohnungstür aufschloss, und kurz darauf näherten sich seine Schritte der Küche. Er blieb auf der Schwelle stehen und verzog keine Miene – bis auf ein unmerkliches Aufblitzen in den dunklen Augen. Vielleicht hatte er ja die unvermeidlichen Mehlflecken auf Lilys Kleid entdeckt, denn hier besaß sie natürlich keine Schürze.
„Was machst du da?“
„Du meinst, abgesehen davon, dass ich einen Kuchen backe?“, erwiderte sie bewusst fröhlich und öffnete den Herd, um den fertigen Kuchen herauszuholen.
Ciros Blick ruhte auf ihrem sexy Po, als sie sich vorbeugte,
Weitere Kostenlose Bücher