Julia Extra Band 367
auf.
Etwas störte. Ein brummendes Geräusch drang langsam und immer deutlicher in ihr Bewusstsein. Es wirkte wie eine kalte Dusche. Kim trat einen Schritt zurück. Der Hubschrauber landete auf dem Platz hinter dem Haus!
„Du … Was …“ Kim riss sich zusammen. „Du musst jetzt weg?“, fragte sie schließlich brüchig.
„Ja, nach Geraldton.“
„Und das wusstest du schon die ganze Zeit?“
„Ja. Kim, ich …“
„Reisende soll man nicht aufhalten.“ Sie löste sich aus seinen Armen und trat einen Schritt zurück, den Kopf hoch erhoben.
„Kim!“ Er lächelte selbstironisch. „Ich hatte den Termin komplett vergessen, ehrlich. Du bist nicht die Einzige, die sich jetzt in einer unangenehmen Situation befindet.“
„Oh, mir macht das nichts aus.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich habe mich an deine Gastrolle hier im Haus gewöhnt. Dein unvermitteltes Kommen und Gehen stört mich nicht weiter.“
„Kim!“ Eindringlich sah er sie an.
„Nein, Reith, ich bin zum Umfallen müde. Bitte Alice, mir die weitere Terminplanung mitzuteilen, damit ich mich danach richten kann. Gute Nacht.“
Im Gehen hörte sie, wie der Pilot bereits an die Hintertür klopfte.
Kim lag im Bett, doch sie fand keinen Schlaf.
So sehr sie auch grübelte, es schien keinen Ausweg aus dem Dilemma zu geben. Alles in ihr empörte sich darüber, wie Reith mit ihr umgesprungen war und sie zu einer Ehe gezwungen hatte, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Andererseits zog Reith sie magisch an. Mit einem anderen verheiratet zu sein, war unvorstellbar.
Erst gegen Morgen verfiel sie in einen unruhigen Schlummer. „Ich muss etwas unternehmen“, flüsterte sie. „Diese Tatenlosigkeit und dieses Abwarten sind auf Dauer unerträglich.“
Kim sah Reith erst nach knapp einer Woche wieder – und das auch nur mehr oder weniger zufällig.
Es war später Nachmittag, und sie machte sich gerade für eine Grillparty bei Nachbarn zurecht. Die Haarbürste in der Hand horchte sie auf. War es nicht das Motorengeräusch von Reiths Auto, das durchs offene Fenster drang? Doch Reith war in Adelaide!
Kurz darauf klopfte es an ihrer Tür. „Kim? Bist du da?“
Sie atmete tief durch. „Ja. Komm rein.“
Obwohl sie sich auf seinen Anblick innerlich vorbereitet hatte, klopfte ihr Herz wie wild, als er sich neben ihren Stuhl stellte.
„Und ich dachte, du bist in Adelaide“, meinte sie betont beiläufig und überprüfte anscheinend kritisch ihr Make-up im Spiegel.
„Der Termin ist in letzter Minute geplatzt.“ Er zuckte die Schultern und betrachtete anerkennend ihre bestickten Designerjeans, die raffiniert schlichte weiße Seidenbluse und die flachen, ebenfalls weißen und mit Türkisen besetzten Riemchensandaletten.
Er zog die Brauen hoch. „Wie ich sehe, hast du etwas vor.“
Kim nickte. „Pippa Longreach veranstaltet einen ihrer berühmten Grillabende. Alice wusste das übrigens, sie sagte mir jedoch, zu der Zeit hättest du in Adelaide zu tun.“
„Was für ein Glück, dass das Treffen abgesagt wurde!“ Er lächelte.
Fragend sah sie ihn an.
„So kann ich dich im Auge behalten. Ich weiß, Lachlan ist Pippas Toyboy, doch ganz offensichtlich hat er es auf dich abgesehen. Gib mir zehn Minuten zum Duschen und Umziehen.“ Damit war er verschwunden.
Bestürzt blickte Kim ihm hinterher. In der Nacht nach der Modenschau hatte sie sich fest vorgenommen, die wahren Gründe für diese Farce einer Ehe herauszufinden. Sie wollte die wahren Motive aufdecken, sowohl die von Reith als auch ihre eigenen. Doch plötzlich bekam sie Angst vor der eigenen Courage.
Ihre bisher feste Überzeugung, sie hätte Reith aus reinem Mitleid mit ihren Eltern geheiratet, begann zu bröckeln. War sie bisher stolz auf ihr Opfer gewesen, sah sie es jetzt anders. War es in Wirklichkeit nicht ausgesprochen unmoralisch gewesen, auf Reiths Angebot einzugehen?
7. KAPITEL
Pippa Longreachs Grillabende waren stets etwas Besonderes.
Pippa war eine anerkannte Künstlerin. Mit gut fünfzig hatte sie sich von ihrem zweiten Mann scheiden lassen und vergnügte sich momentan mit einem Toyboy namens Lachlan. Er sah blendend aus und war gut gebaut, wenn er nach seiner Meinung gefragt wurde, wusste er allerdings kaum etwas zu sagen.
Pippa war in erster Linie Malerin, doch auch ihre Siebdrucke und getöpferten Skulpturen gehörten bei Kennern der Szene zu beliebten Sammelstücken. Auch ihr Haus mit der großen Terrasse und dem Garten war eine Art Gesamtkunstwerk.
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