Julia Extra Band 367
du nicht, wenn du in Saldanha bist?“
„Irgendwie scheint immer die Zeit zu fehlen.“
Beide sahen auf, als es plötzlich laut prasselte und Funken in den Himmel stoben. Ein zünftiges Lagerfeuer war entzündet worden. Schweigend betrachteten sie das Schauspiel, bis Kim endlich die Frage stellte, die ihr schon lange auf der Zunge lag.
„Reith, warum holst du Darcy nicht nach Hause? Warum soll er nicht hier zur Schule gehen und mit den anderen Kindern aus der Nachbarschaft aufwachsen?“
Er trank einen Schluck Bier und setzte das Glas bedachtsam zurück. „Kim, ich bin mir nicht sicher, ob wir ihm wirklich ein glückliches Zuhause bieten können.“
Kim schnalzte ärgerlich mit der Zunge. „Vor Darcy habe ich nie die geringste Kritik an dir geübt! Willst du das etwa abstreiten?“
„Das würde mir im Traum nicht einfallen“, antwortete er ruhig. „Aber ein ständiges Zusammenleben erfordert mehr Rücksichtnahme als Wochenendbesuche.“
Kim legte den Kopf zur Seite. „Ist das einer der Gründe, weshalb du mich geheiratet hast? Um deinem Sohn die Geborgenheit einer Familie zu schenken? Wenn ja, warum hast du das denn nicht gleich gesagt?“
„Soll das heißen, du hättest mich mit Kusshand geheiratet, wenn ich dir gesagt hätte, ich brauche eine Mutter für meinen Sohn?“ Prüfend sah er sie an. „Schade, auf die Idee bin ich wirklich nicht gekommen. Und ehrlich gesagt, Kimberley Theron, hatte ich eigentlich nie die Absicht, dich um deine Hand zu bitten.“
„Das hast du ja auch nicht. Du hast mich ganz einfach erpresst.“
„Meinetwegen auch das.“ Er rieb sich das Kinn. „Meine Pläne haben sich erst geändert, nachdem du alles wusstest und bei jenem Treffen im Pub blind Partei für deine Eltern ergriffen hast.“
„Du … du hast dir wirklich eingebildet, ich – ich – würde zu dir halten?“ Fassungslos sah sie ihn an.
„Das nicht gerade“, erwiderte er kühl. „Ich hatte jedoch fest mit deiner Bereitschaft gerechnet, beide Seiten vernünftig gegeneinander abzuwägen und ein begründetes Urteil zu fällen. Ich hatte gedacht, wir hätten uns soweit angefreundet, dass du dir meine Argumente zumindest anhören würdest – stattdessen hast du mich sofort als Emporkömmling und unmoralischen Geschäftemacher abgestempelt.“
Kim wollte widersprechen, biss sich jedoch gerade noch rechtzeitig auf die Lippe. Nur zu genau erinnerte sie sich an das ungute Gefühl, das sie bei jener Gelegenheit gehabt hatte: das Gefühl, die Argumentation ihres Vaters ungeprüft nachzuplappern.
„Außerdem hatte ich meine Zweifel an deiner Behauptung, du hättest nicht gewusst, wer ich bin“, fügte Reith hinzu.
„Wie bitte? Sag das noch einmal!“
„Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie es möglich gewesen sein sollte, dir den wahren Stand der Dinge zu verheimlichen.“
Nachdenklich trank sie einen Schluck Wein. „Das war größtenteils mein Fehler. Ich war zu sehr mit meinem eigenen Leben beschäftigt und blind für meine Familie. Eigentlich hätte ich merken müssen, dass etwas nicht stimmt, Anzeichen dafür gab es genug – ich habe sie schlichtweg übersehen.“
Sie sah ihm in die Augen. „Reith, falls dies ein Trost für dich sein sollte: Seit du in mein Leben getreten bist, sehe ich vieles, was ich früher für selbstverständlich gehalten habe, plötzlich in ganz anderem Licht – auch mich selbst.“
„Das ist eine ganz normale Entwicklung“, antwortete er ruhig. „Wenn ich nicht der Auslöser dazu gewesen wäre, wäre es ein anderer gewesen. Die Zeit war reif, dein Leben hätte sich so oder so verändert.“
Unwillkürlich musste Kim lächeln. „Mag sein, doch bestimmt hätte ich keinen anderen Mann der Welt Hals über Kopf geheiratet.“
Sie stützte das Kinn auf die Hand und blickte versonnen in die Flammen. Erst nach geraumer Zeit fiel ihr auf, wie eingehend Reith sie betrachtete.
Sie wusste natürlich nicht, wie bezaubernd sie aussah. Ihr zartes Profil hob sich im Schein der Flammen klar von dem dunklen Nachthimmel ab, ihr Haar wirkte wie gesponnenes Gold und die Farbe ihrer Augen glich mehr denn je der von erlesenen Saphiren.
Kim hob den Kopf. „Woran denkst du, Reith?“
Er schien im Geiste ganz woanders gewesen zu sein, denn es dauerte eine ganze Weile, bis er antwortete, und seine Stimme klang belegt. „Wir müssen diese Ehe nicht bis zum bitteren Ende durchhalten, Kim.“
„Mach dir keine Sorgen um deine Eltern“, redete er weiter, als er sah, wie
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