Julia Extra Band 367
sein?
Ein einziges Mal hatten Reith und sie keine Vorkehrungen getroffen, beide hatten nicht daran gedacht, so leidenschaftlich und spontan war ihr Verlangen gewesen. Auch anschließend war Kim nicht weiter beunruhigt gewesen, denn theoretisch hätte zu diesem Zeitpunkt nichts passieren dürfen. Kim seufzte. Theorie und Praxis waren offensichtlich zweierlei …
Ihr Zustand erklärte auch die für sie so untypischen Stimmungsschwankungen, unter denen sie in den vergangenen Wochen zu leiden gehabt hatte – und ihren mangelnden Appetit. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, es war ihr einfach kein Bedürfnis gewesen.
Wie betäubt ließ sie sich in den nächsten Sessel sinken. Zwei Schicksalsschläge auf einmal: Erst der Schock, Reith mit Chilli zu ertappen, und jetzt war sie auch noch schwanger! Ihr Leben schien nicht mehr das, was es noch vor einer guten Stunde gewesen war.
Abrupt richtete sie sich auf. Wollte Reith deshalb kein Kind von ihr? Sah er die Ehe mit ihr eher als Zweckgemeinschaft, als Ausgangsbasis für diverse Affären?
War Chilli schuld daran, dass er mit ihr, Kim, kein Kind haben wollte? Ausgerechnet Chilli George, das war das Schlimmste! Kim schlug die Hände vors Gesicht, fasste sich jedoch schnell wieder. Nein, dachte sie, wäre es nicht Chilli, dann wäre es eine andere gewesen – an der Tatsache als solcher hätte sich dadurch nichts geändert.
„O Reith“, sagte sie laut. „Wie konntest du nur? Aber wenn du denkst, ich verschließe vor deiner Eskapade die Augen, hast du dich getäuscht!“
Sie stand auf, ging zum Telefon, rief den Flughafen an und ließ sich mit dem Schalter für Expressbuchungen verbinden. In der Maschine, die um Mitternacht nach Brisbane ging, waren noch Plätze verfügbar.
„Die Landung in Brisbane erfolgt um sechs Uhr dreißig Ortszeit. Wenn Sie sich beeilen, haben Sie genügend Zeit zum Einchecken, selbst mit Hund.“
„Okay, reservieren Sie mir bitte das Ticket. Ich fahre sofort los.“
Am Abend des nächsten Tages saß Kim, den Arm um Sunny Bob gelegt, auf der Veranda eines Holzhauses in Queensland.
Ein ganzer Kontinent trennte sie von Saldanha, Balthazar, ihren Eltern, Damien und ganz besonders von Reith, der sie so tief verletzt hatte.
Gleich am Flughafen hatte sie sich ein Auto gemietet und nach einem Ferienhaus gesucht, in dem auch Haustiere willkommen waren, was sich jedoch als schwierig erwies. Einer Eingebung folgend war sie dann mit der Fähre nach Russell Island übergesetzt und hatte dort tatsächlich etwas Geeignetes gefunden.
Das Ferienhaus war vollständig eingerichtet und auch mit Wäsche ausgestattet. Kim bezahlte die Kaution und die Miete für eine Woche im Voraus und zog sofort ein. Dann fuhr sie in den Supermarkt, um sich mit Lebensmitteln einzudecken.
„Dir wird es hier bestimmt gefallen“, versicherte sie Sunny Bob auf der Fahrt zurück zum Haus. „Aber nimm dich in Acht vor den Sandfliegen, die Stiche können böse Folgen haben. Vorsichtshalber habe ich uns beiden ein Abwehrmittel gegen Insekten mitgebracht.“
Kim schaffte es gerade noch, ihre Tasche auszuräumen und die Vorräte im Kühlschrank zu verstauen. Kaum hatte sie sich anschließend auf dem Sofa im Wohnzimmer ausgestreckt, fielen ihr auch schon die Augen zu. Als sie Stunden später aufwachte, fand sie gerade noch die Kraft, um zu duschen, Sunny Bob noch einmal vor die Tür zu lassen und ins Bett zu gehen.
Zwei Tage später ging es Kim deutlich besser. Sie fühlte sich ausgeruht und kräftiger und hatte bereits die nähere Umgebung erkundet.
Das Haus lag auf einem Felsen, der steil zum Wasser abfiel. Was wie ein Fluss aussah, war in Wirklichkeit ein Meeresarm, der die beiden Inseln Russell Island und North Stradbroke Island voneinander trennte. Kim blickte von ihrer Veranda genau auf North Stradbroke, eine reine Vogelinsel.
Glücklicherweise fand sie in einem Regal neben der Garderobe ein Fernglas und ein Bestimmungsbuch und verbrachte Stunden damit, die Natur zu beobachten. Sie entdeckte Brahminenweihen mit bronzefarbenen Schwingen und weißem Brustgefieder, und Seeadler hatten ihren Horst in einem hohen Baum, der genau in ihrem Blickfeld lag. Kormorane und Pelikane tummelten sich auf dem Wasser, und Silberreiher, Fischreiher und Austernfischer suchten in einer flachen Bucht nach Nahrung.
Das Leben auf Russell Island verlief ruhig und beschaulich, die meisten der Einheimischen besaßen Boote und lebten vom Fischfang.
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