Julia Extra Band 367
Berge in goldenes Licht. Kim wählte den Weg durch die Furt, um zu einem ihrer Lieblingsplätze zu gelangen.
Nichts außer Vogelstimmen, Matties Hufgeräuschen und dem leisen Knarren des Sattels war zu hören – sie hätte allein sein können auf der Welt.
An dem großen Gummibaum, unter dem eine Viehtränke stand, hielt sie an und saß ab. Nachdem Mattie getrunken hatte, band sie das Pferd an einem Wegweiser für Wanderer an. Kim holte sich ihre Wasserflasche aus der Satteltasche, zog sich die Handschuhe aus und setzte sich auf einen Baumstumpf.
Sie trank einen Schluck und versuchte, sich zu konzentrieren. Es musste einfach einen Weg geben, Damien wieder zurück in die Familie zu holen, das war sie ihrer Mutter schuldig. Aber wie konnte der aussehen? Und was würde Reith dazu sagen?
Was hinter Reiths Stirn wirklich vorging, war ihr nach wie vor ein Rätsel. Seit der Nacht, in der sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten, hatte Reith nie wieder über sich selbst gesprochen. Und sie selbst hatte ihn bei jener Gelegenheit auch noch zum Schweigen gebracht! Das war anscheinend ein Fehler gewesen.
Denn seither hatten sie das Thema nie wieder angeschnitten, sondern ausschließlich über Gefühle geredet, die körperliche Empfindungen betrafen. Auch darüber, wie sie sich die gemeinsame Zukunft vorstellten, hatten sie kein Wort mehr verloren. Die einzige Ausnahme war die Absicht, Darcy aus dem Internat zu nehmen und nach Hause zu holen. Sie hatten bis gestern auch nie über gemeinsame Kinder geredet, aber Reith hatte ja nicht gerade begeistert reagiert …
Ihr Alltag hatte sich, seitdem Reith und sie sich – zumindest körperlich – nähergekommen waren, kaum verändert. Sie tat das, was sie nach der Eheschließung schon immer getan hatte: Sie arbeitete im Shop von Balthazar, kümmerte sich um den Garten und pflegte ein reges gesellschaftliches Leben, nahm Einladungen an und gab Feste.
Versonnen betrachtete sie Mattie, die mit dem Schweif nach Fliegen schlug, doch plötzlich schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Die entscheidende Frage hatte sie sich überhaupt noch nicht gestellt!
Bisher hatte sie Reiths Nähe, seine Zärtlichkeiten und seine Leidenschaft, in vollen Zügen genossen, doch wie sah es mit der Zukunft aus? Würde ihr das auf Dauer reichen? Und Reith – liebte er sie oder begehrte er sie lediglich?
Sie hatte in den Tag hineingelebt, war glücklich in einer Welt gewesen, die in Wirklichkeit nichts weiter als eine Seifenblase war. Was würde geschehen, wenn sie einen Schritt auf ihren Bruder zu machte? Würde die Seifenblase dann platzen? Das musste sie unbedingt verhindern.
Sie würde Reith alles erklären müssen und ihm Fionas Kummer schildern – ihren eigenen natürlich ebenso. Denn auch sie litt unter Damiens Verlust, wenn das Verhältnis zu ihrem Bruder auch nie ein sehr enges gewesen war. Doch Bruder blieb Bruder, was auch passierte. Damien hatte sie als Erster in den Sattel gehoben und ihr das Reiten beigebracht, er hatte ihr das erste eigene Pony geschenkt und sie als Teenager vor zudringlichen Verehrern geschützt. Diese Erinnerungen würden nie verblassen.
Vielleicht glaubt Damien immer noch, ich sei die kleine Schwester, die man beschützen muss, dachte sie und lächelte leise. Nein, auf keinen Fall wollte sie sich mit ihm entzweien. Doch wenn das ihr Ziel war, musste sie dafür kämpfen.
Gegen Abend war Kim mit den Vorbereitungen fertig. Sie trug jetzt einen eleganten und doch praktischen Hosenanzug und hatte eine Reisetasche mit dem Nötigsten gepackt. Zu seiner unbändigen Freude durfte Sunny Bob mit ins Auto steigen und mit Frauchen nach Perth fahren.
Da durch die Malerarbeiten das Apartment immer noch unbewohnbar war, suchte sich Kim ein Motel am Stadtrand, in dem Hunde erlaubt waren. Nachdem sie schnell die Tasche ausgepackt und den Hund versorgt hatte, fuhr sie in die City von Perth, wo Damiens Wohnung lag.
Sie parkte etwas abseits, um noch etwas zu Fuß gehen zu müssen. Sie brauchte die Zeit, um sich ganz auf das zu konzentrieren, was sie vorbringen wollte.
Als er ihr öffnete, war Damien überrascht – und das nicht freudig, wie er ihr deutlich zu verstehen gab. Kim jedoch ließ sich nicht beeindrucken und blieb ruhig und freundlich. Schließlich zuckte er die Schultern, gab seinen Widerstand auf und bat sie ins Wohnzimmer. Dort schenkte er beiden einen Drink ein.
Nachdem er sich mit einem kräftigen Schluck gestärkt hatte, sprach Damien über Dinge, die
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