Julia Extra Band 367
hellblaues Hemd. Die lavendelfarbene Krawatte im Paisleymuster und das dazu passende Einstecktuch boten einen auffälligen farblichen Kontrast, wirkten gleichzeitig jedoch ausgesprochen elegant.
„Was hast du eigentlich vor?“, wollte sie wissen.
„Erst Aufsichtsratssitzung, dann Lunch.“
„Beides ohne Frauen, möchte ich doch hoffen!“
„Wahrscheinlich nicht.“ Erstaunt sah er sie an. „Spielt das eine Rolle?“
„Eine sehr große sogar. Eigentlich dürfte ich dich so gar nicht allein loslassen, die Frauen werden sich dir scharenweise an den Hals werfen.“
„Kim!“ Reith schien unsicher, ob sie im Ernst gesprochen hatte oder sich einen Spaß erlaubte. „Ich glaube, du schätzt meine Wirkung auf das andere Geschlecht völlig falsch ein.“
„Sag das nicht, ich weiß es nämlich aus erster Hand: Eine erfahrene und schöne Frau hat dich als attraktivsten und begehrenswertesten Mann im ganzen Saal bezeichnet.“
Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Wo soll denn das gewesen sein?“
„Auf der Modenschau.“ In anschaulichen Sätzen beschrieb sie ihm, was sich hinter dem Vorhang abgespielt hatte.
Er lachte. „Endlich weiß ich die Erklärung!“
„Wofür?“
„Am Abend nach der Schau hast du dich mir gegenüber wie eine Furie benommen. Weißt du das noch?“
Kim schluckte. „Ich erinnere mich dunkel. Irgendwie passte es mir nicht, dass ausgerechnet ein Supermodel, also eine Frau, die das bestimmt beurteilen kann, dich für Mr Universum persönlich hielt.“
„Und das kreidest du mir an? Ist das gerecht?“
„Ja!“ Sie lachte. „Naja, vielleicht ist es doch etwas unfair.“ Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und küsste ihn etwas intensiver. „Und jetzt geh endlich!“
Reith ging, aber nicht bevor er ihren Kuss ausgiebig und leidenschaftlich erwidert hatte.
Kim hatte sich für diesen Vormittag viel vorgenommen, konnte sich jedoch auf nichts konzentrieren. Alles fing sie an, und nichts brachte sie zu Ende. In letzter Zeit litt sie sowieso unter extremen Stimmungsschwankungen: Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – dieses alte Klischee beschrieb treffend, wie es in ihr aussah. Gerade erst gestern hatte sie stundenlang über einen bunten Papagei geweint, den sie tot im Garten gefunden und dann unter einer Rose begraben hatte.
Was hatte das zu bedeuten? Ließ einen die Liebe die schönen Dinge des Lebens schöner und die traurigen noch trauriger erleben?
Nachmittags kam ihre Mutter zu Besuch. Natürlich wusste keiner aus der Familie über die wahren Hintergründe ihrer Ehe mit Reith Bescheid, Kim hatte auch nie drüber gesprochen. Wie sollte sie ihrer Familie auch erklären, dass sie erpresst worden war und nur Eltern und Bruder zuliebe Reiths Antrag angenommen hatte?
Ganz ahnungslos konnten ihre Eltern jedoch in Anbetracht der Umstände nicht sein, obwohl sie das mit keinem Wort erwähnten. Fiona jedoch schien sich in letzter Zeit mit ihrem Schwiegersohn abgefunden zu haben. Sie machte sogar den Eindruck, als sei sie bereit, Frieden mit ihm zu schließen.
Doch Kim hatte sich getäuscht. Fiona war nicht gekommen, um mit ihr über Reith zu sprechen, sondern über – Damien.
9. KAPITEL
„Damien bekomme ich kaum noch zu sehen“, beklagte sich Fiona.
Kim schenkte sich Tee ein. „Beim Rennen hat er mich ignoriert. Er war übrigens mit einer aufregenden Blondine zusammen. Kennst du sie? Ist es etwas Ernstes?“
„Frag mich nicht.“ Fiona seufzte. „Mir gegenüber hat er nichts von einer Freundin erwähnt, und eine Blondine hat er mir auch nicht vorgestellt.“
„Auf alle Fälle passt sein jetziger Job zu ihm. Vollblüter an geeignete Besitzer zu vermitteln und Zuchtempfehlungen zu geben, ist genau das, was ihm liegt“, meinte Kim schließlich, als ihre Mutter schweigsam auf ihren Teller blickte. Anstatt etwas zu erwidern, lief Fiona langsam eine Träne über die Wange.
Kim war tief betroffen. „Die Sache mit Damien macht dir ja schwer zu schaffen. Ich wünschte, ich könnte dir helfen.“
Fiona weinte in ihr Taschentuch. „Das Einzige, was einem am Ende bleibt, ist die Familie.“ Sie schluchzte laut. „Um das zu erkennen, habe ich lange gebraucht. Hoffentlich ist es nicht schon zu spät.“
Nachdem ihre Mutter gegangen war, sattelte Kim ihre Stute Mattie. Ein zügiger Ritt war jetzt genau das Richtige, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Das Wetter war kühl und wolkig, doch ab und zu drang ein Sonnenstrahl durch und tauchte die Gipfel der
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