Julia Extra Band 368
dass er niemals weg gewesen wäre. Aber das war gefährlich, denn es war nicht wahr. Stefano hatte sie verlassen, sodass sie die schlimmste Zeit ihres Lebens allein hatte bewältigen müssen. Bei diesem Gedanken war der Tag plötzlich nicht mehr ganz so schön.
„Warum hast du mich hergebracht, Stefano?“
Er seufzte, war er sich doch bewusst, dass zwischen ihnen ein Riss entstanden war, den er vielleicht nie mehr würde flicken können. Wahrscheinlich hätte er ohnehin nicht gewusst, wie. Sicher war nur, dass er das alte Einvernehmen mit Kiki wiederhaben wollte. Nach Monaten, in denen er nur funktioniert hatte, fühlte er sich das erste Mal wieder lebendig.
„Als wir uns wiedergesehen haben, hatte ich eine Idee.“ Stefano umfasste das Lenkrad fester. „Ich wollte dir meine Arbeit zeigen, weil ich möchte, dass du vielleicht über ein neues Aufgabengebiet als Ärztin nachdenkst. Vielleicht herkommst und eine Zeit lang für mich arbeitest.“
Kiki hätte nicht überrascht sein sollen, er hatte ja schon gesagt, dass sie mehr Zeit miteinander verbringen sollten. Er hatte also geplant, sie auf seine Insel zu bringen, und lockte sie mit der Aussicht, dass sie in seiner Klinik arbeiten könnte …
Unglücklicherweise funktionierte das sogar, denn seine Arbeit, von der sie bereits in Sydney eine Kostprobe bekommen hatte, war unglaublich. Sie wusste, dass sie bei Stefano viel lernen könnte, das hatte sie erst am Vortag wieder gesehen, als er Will durch die Operation geleitet hatte.
Jeder junge Arzt, der seine Fähigkeiten verbessern wollte, würde davon träumen, von so einem Chirurgen angeleitet zu werden.
Allerdings wäre kein anderer junger Arzt Stefano so verfallen, wie sie es einmal gewesen war, und sie traute ihm nicht. Kiki war sich sicher, dass sie, falls sie tatsächlich hierherziehen und für ihn arbeiten würde, mehr als nur seine Assistenzärztin werden würde. Sie wäre auch seine Geliebte, die Mätresse des Prinzen.
Kiki schwieg lange, und schließlich wurde der Wagen langsamer. Stefano sah sie an.
„Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, diese Entscheidung kann warten. Genieß jetzt einfach den Tag. Ich möchte dir gern alles zeigen, und damit ist keinerlei Druck verbunden, dass du dich schnell entscheiden müsstest. Ich bin einfach nur stolz auf alles und möchte dich an meiner Arbeit teilhaben lassen.“
Er schüttelte den Kopf. „Natürlich gefällt mir die Vorstellung nicht, dass du wieder verschwindest und dein eigenes Leben führst, ohne dass ich zumindest eine Chance hatte, dir zu zeigen, wovon ich träume.“
Leben. Träume. Chance. Das waren alles äußerst gefährliche Worte in seinem Vokabular. Leere Hülsen. Was wollte er damit erreichen?
„Warum ich?“
Stefano fuhr weiter. „Warum nicht?“
Er ließ sich nicht in die Karten schauen.
Sie bogen um eine Kurve, und vor ihnen lagen mehrere moderne, zweistöckige Gebäude, die olivgrün gestrichen waren, um sich nahtlos in die Landschaft einzufügen.
Je näher sie kamen, desto schöner war die Anlage. Kiki sah, dass weinbewachsene Veranden die Häuser umschlossen, und weiße Fensterläden hoben sich von den grünen Mauern ab.
„Wie schön!“
„Das hat meine Mutter entworfen“, erklärte Stefano, und Kiki hörte den Stolz in seiner Stimme.
„Vermisst du sie?“
„Sehr.“ Stefano sah nach vorn. „Sie war die Stimme der Vernunft, aber auch die, die mich ausgelacht hat, wenn ich etwas zu ernst genommen habe. Vielleicht gefällst du mir deshalb so.“ Er schwieg. „Andererseits konnte sie mir vergeben, wenn ich etwas falsch gemacht habe.“
Sie schwiegen beide.
„Meinen Vater konnte sie nicht ändern, weil er ganz anders erzogen war, aber auf mich hat sie mit ihrer Warmherzigkeit und ihrem Sinn für Fairness großen Einfluss gehabt.“
Kiki war tief berührt, als er ihr plötzlich Einblicke in seine Jugend gewährte. „Wann ist sie gestorben?“
Stefano zögerte, als wenn es ihm schwerfiele, über sich selbst zu sprechen. „Als ich ein Teenager war.“
Dann hatte er seine Mutter in demselben Alter verloren wie sie ihre. Sie kannte das Gefühl. Die Verzweiflung, das Gefühl des Verrats, weil man als Waise zurückblieb. „Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“
Stefano sah sie an. „Das tut mir leid. Ich habe dich in Sydney nicht genug gefragt.“
Kiki zog eine Grimasse. „Nein, das hast du nicht. Aber ich kann deinen Verlust verstehen.“ Zwischen Kongress und Bett war ohnehin nicht viel
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