Julia Extra Band 368
dass er nicht zu seinem alten Leben zurückkehren wollte. Aber er wusste nicht, wie er es aushalten sollte, wenn sie die nächsten Jahre als seine Frau in seinem Palast lebte. Unantastbar für ihn, aber verführerischer als jede andere Frau, die er je getroffen hatte.
Die grünen Tannen trugen weiße Hauben, als das Flugzeug auf dem Privatflughafen aufsetzte. Nach der verwaschen wirkenden Landschaft in der Wüste Hajars leuchteten die Farben Altinas vor Intensität, sie wirkten geradezu surreal. Katherine stieg die Bordtreppe hinunter und betrat die mit Raureif überzogene Landebahn.
In der Wüste war es nie wirklich still, Insekten summten, der Wind strich seufzend über den Sand. Doch hier in Altina mit seinen Bergen und Wäldern hatte sie den Eindruck absoluter Stille.
„Alles in Ordnung?“ Katherine drehte sich zu Zahir um, der in den tiefhängenden, bleiernen Himmel aufschaute. Es musste ein ungewohntes Bild für ihn sein.
„Natürlich.“
„Du warst nicht mehr … Ich meine, ich weiß, dass Malik und du in Europa ausgebildet wurdet, aber du hast Hajar nicht mehr verlassen, seit …“
„Seit fünf Jahren.“ Zahir schaute zu den gezackten Gipfeln einer Bergkette hin.
„Es ist anders hier. Ich kann mich noch erinnern, wie erstaunt ich war, als ich das erste Mal nach Hajar kam. Ich hatte das Gefühl, direkt unter der Sonne zu stehen.“
Mit undurchdringlichem Blick sah er sie an. „Du gehörst hierher.“
„Es ist in meinem Blut.“ Was er sagen wollte, war wohl, dass sie nicht nach Hajar gehörte. Nicht zu ihm. Und doch befiel sie das Gefühl, als wäre sie fremd hier, als sie zum Schloss blickte, das sich hinter den hohen Tannen erhob, zu dem Heim, in dem sie aufgewachsen war.
Sie fühlte sich fremder als in Hajar.
„Mein Vater erwartet uns.“ Sie ging auf die Limousine zu, die bereitstand, um sie beide die vielleicht tausend Meter bis zum Schloss zu fahren.
Sie ließ sich vom Chauffeur die Tür aufhalten und stieg ein, stieß dann heftig den Atem aus, bevor Zahir im Wagen war. Am liebsten hätte sie geschrien, nur um die Stille zu zerreißen. Damit sie sich besser fühlte.
Seit jener Nacht in ihrer Suite fühlte sie sich nicht mehr wie sie selbst. Vielleicht war das schon so seit jenem Tag, an dem sie in Zahirs Arbeitszimmer gestürmt und ihren Heiratsantrag vorgebracht hatte.
Katherine schloss die Augen. Hatte sie sich eigentlich jemals irgendwo wirklich wohlgefühlt? In Hajar hatte sie etwas gefunden, ein Gefühl … Nur konnte sie es nicht benennen.
Kalte Luft strömte in den Wagen, als Zahir sich zu ihr auf die Rückbank setzte.
„Wie geht es deinem Vater eigentlich?“, fragte er.
„Ich weiß es nicht.“ Seit über einem Monat hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und am Telefon würde er niemals zugeben, dass es ihm schlechter ging.
Viel zu schnell hielt die Limousine wieder an, die beiden hinteren Türen wurden gleichzeitig von außen geöffnet. Katherine und Zahir stiegen aus, zurück in die Kälte. Es hatte angefangen zu schneien, weiße Flocken legten sich auf die grünen Rasenflächen.
Zahir zeigte keinerlei Zögern, aber er musste sich ja auch keiner Menge stellen, nur ihrem Vater. Mit ausholenden Schritten ging er voraus, und Katherine bemühte sich, an seiner Seite zu bleiben. Bemühte sich, etwas von seiner Stärke in sich aufzunehmen, denn aus irgendeinem Grund schien ihre eigene Stärke sie plötzlich verlassen zu haben.
In den letzten Tagen hatte sie in Zahir einen Gegner gesehen, weil er sie verletzt hatte. Doch jetzt brauchte sie dringend einen Verbündeten.
Im Schloss herrschte eine komplett andere Atmosphäre als im Palast von Hajar. Personal eilte durch die Gänge, Regierungsbeamte kamen aus Sitzungsräumen, sogar eine Touristengruppe auf einer Besichtigungstour wurde durch die Korridore geführt.
Eigentlich war das Schloss nie leer. Und überall standen Blumen. Marmorböden schimmerten makellos weiß, die Stofftapeten an den Wänden waren mit der Herrscherlilie bedruckt. Aber das Schloss schien Katherine fremd geworden zu sein. Sie rückte näher an Zahir heran.
„Hier entlang.“ Sie deutete in die Richtung, in der das Arbeitszimmer ihres Vaters lag. Er würde sie dort erwarten, alles andere wäre formlos. Schließlich handelte es sich um eine Staatsangelegenheit.
Bei ihrer Hochzeit ging es um Staatsverträge und den Schutz der Nation. Sie täte gut daran, sich das immer vor Augen zu halten.
Vor den wuchtigen Doppeltüren blieben sie stehen. Katherine
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