Julia Extra Band 368
wieder einreden, ich müsste etwas beweisen. Nie wieder.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe immer alles darangesetzt, damit er versteht, dass ich genauso wichtig bin. Aber das wird er nie so sehen.“
„Mit den Thronerben ist es immer anders. Sie müssen vorbereitet werden, um eines Tages die Verantwortung zu übernehmen. Damit sie regieren können und ihre Pflicht erfüllen. Wir anderen Kinder sind nur Produkte des Zufalls.“
„Warst du ein Zufallsprodukt?“
Er sah an ihr vorbei. „Meine Eltern waren gut zu mir … wenn ich sie denn sah. Malik galt immer als Liebling meines Vaters, jeder konnte das nachvollziehen.“
„Aber heute bist du Hajars Herrscher.“
Er schluckte. „Und du bist die Beschützerin von Altina.“
Sie lächelte gedankenversunken. „Wenn ich eines Tages Kinder habe, werde ich mich weigern, sie auf eine solche Rangliste zu setzen.“
„Da ich nie Kinder haben werde, ist dieser Punkt unerheblich für mich.“
„Nie?“
„Nein. Sie würden in Tränen ausbrechen, wenn sie mich sähen.“
„Sie würden dich von ganzem Herzen lieben.“
Etwas funkelte in seinen Augen auf, erlosch aber sofort, und die eiserne Selbstbeherrschung übernahm wieder die Kontrolle. „Ich wüsste nicht, wie ich sie lieben sollte.“
Die Trauer in seiner Stimme zerriss Katherine fast. „Du würdest sie lieben, Zahir, ganz sicher.“
„Du weißt nicht, wie es hier drinnen aussieht.“ Er pochte sich mit der Faust auf die Brust. „Es ist leer, dem Himmel sei Dank dafür.“
„Wieso Dank? Weil Gefühle zu sehr schmerzen?“
„Es gibt Schmerz, und dann gibt es das Gefühl, dass dir deine Eingeweide bei lebendigem Leibe herausgerissen werden. Die Wunden bluten ständig, und es besteht keine Hoffnung, dass sie je heilen werden. Irgendwann findest du dich damit ab, es kann dich nicht mehr erreichen. Genau, wie alles andere dir nicht mehr nahe kommt. Das ist immer noch besser als der unerträgliche Schmerz.“
Mit seinen Worten riss er auch ihr das Herz entzwei. Sie legte die Hand auf seine Brust. „Du fühlst doch den Schmerz. Er findet dich immer wieder, ich habe es gesehen. Weshalb versagst du dir dann die schönen Dinge, Zahir?“
„Wie sollte ich sie genießen können, wenn meine Familie, die Wachen und die vielen Unschuldigen nie mehr die Chance haben werden, schöne Dinge zu erleben?“
Sein Blick war ausdruckslos geworden – die Verbindung war abgerissen. Er wandte sich zum Gehen, und Katherine stellte die einzige Frage, die ihn vielleicht aufhalten konnte. „Wie hat mein Vater reagiert, als du ihn zusammengestutzt hast?“
„Überhaupt nicht. Vermutlich erstickt er an den Worten, die ihm auf der Zunge gelegen haben. Aber er braucht mich, also hat er geschwiegen.“
„Er ist kein schlechter Mensch, Zahir, er hat einfach nur altmodische Ideen. Als Herrscher beweist er sehr viel Mitgefühl … als Vater wohl weniger. Ich habe großen Respekt für das, was er für sein Land tut. Dabei werde ich ihn auch weiter unterstützen.“
„Und ich werde garantieren, dass Altina sicher ist.“
Ihr fiel auf, dass er nichts von den Handelsbeziehungen gesagt hatte. Es schien, als würden seine Prioritäten sich verschieben – Menschen, nicht Handel, Gerechtigkeit und Sicherheit, nicht Geld.
Doch sie vermutete, dass er eigentlich schon immer so gedacht hatte. Er war nur nicht bereit gewesen, in sich zu gehen und es zuzugeben.
Jetzt hatte er es getan.
9. KAPITEL
Am Tag der Hochzeit hörte es auf zu schneien. Die goldenen Strahlen der Sonne brachen sich auf der glitzernden Schneedecke, die sich auf das Schloss gelegt hatte.
Katherine umklammerte ihren Brautstrauß und schloss die Augen. Sie bemühte sich, die flatternden Schmetterlinge in ihrem Bauch zu beruhigen.
Es waren zwei lange und hektische Wochen gewesen, in denen Zahir und ihr Vater die Details der künftigen Regentschaft ausgearbeitet hatten. Alexander hatte den Meetings beigesessen und versucht, seinen Platz in dieser Männerwelt zu verstehen, obwohl er selbst noch nicht viel mehr als ein Junge war.
Natürlich wusste Katherine, dass man mit sechzehn Jahren kein Kind mehr war. Vor hundert Jahren hätte er längst den Thron bestiegen. Aber er schien noch so jung zu sein … viel zu jung. Sie verspürte endlose Dankbarkeit für Zahir.
Trotzdem war sie unerträglich nervös. Seit vierundzwanzig Stunden hatte sie Zahir nicht mehr gesehen. Sie hatte keine Ahnung, was er fühlte, was er dachte. Ob er wieder so verspannt war, weil
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