Julia Extra Band 368
Tigerin gekämpft, selbst wenn sie im Moment so zierlich und graziös wirkte.
„Jetzt hat sie ja auch ihre Krallen eingezogen“, murmelte er. Er zog sich die Krawatte ab und setzte sich in den Sessel neben dem Bett.
Es konnte unmöglich bequem sein, in solchen Stoffmassen zu schlafen, aber er wagte es nicht, ihr das Kleid auszuziehen. Denn so hübsch es auch war, Katherine ohne Kleid war die verkörperte Perfektion. Berührte er ihre Haut, wäre er verloren.
Dabei könnte es so einfach sein. Er würde sie mit einem Kuss aufwecken und sich die Dunkelheit zunutze machen. Nichts wünschte er sich mehr … Er wünschte es sich so sehr, dass es schmerzte. Doch er balancierte bereits auf einem schmalen Grat, seine Selbstbeherrschung konnte sich jeden Moment in Luft auflösen. Katherine weckte Gefühle in ihm, die er nicht mehr kannte. So lange schon war er innerlich tot gewesen … Er wusste nicht, wie er mit diesen neuen Empfindungen umgehen sollte. Oder was sie mit ihm anstellen würden.
Oder mit Katherine.
Sie war so heiter, so voller Leben. Er fürchtete, dass die Dunkelheit in ihm sie mit hinabziehen würde.
10. KAPITEL
Jemand schrie. Es war ein grausiger Laut. Verängstigt und gleichzeitig voller Wut.
Zahir öffnete die Augen, und ihm wurde bewusst, dass er es war, der schrie. Er lag über die Sessellehne gekrümmt und rang verzweifelt nach Luft.
Eine kühle Hand legte sich auf seine Stirn. Langsam erkannte er Umrisse in dem dunklen Raum.
„Geht es wieder?“
Katherine. Erneut hatte er sich vor ihr zum Narren gemacht.
Er ballte die Fäuste und richtete sich auf. Katherine trat zurück, gab ihm Raum. Im Dunkeln konnte er ihre Miene nicht erkennen, aber da er nicht wollte, dass sie sein Gesicht sah, durfte er kein Licht einschalten.
„Ja, sicher.“ Er biss die Zähne zusammen. Er hatte das Gefühl, dass sein Körper die Anspannung nicht mehr lange durchhalten würde. „Zumindest ist es nicht während des Tages passiert, nicht wahr? Ich habe dich also nicht blamiert.“
Sie stand mit verschränkten Armen vor ihm, so viel konnte er erkennen. „Was siehst du in deinen Träumen, Zahir?“
Es gab keinen Grund, es ihr nicht zu beschreiben. Sie hatte ja schon alles miterlebt … die Flashbacks, die Albträume. Mehr von seinem Stolz konnte er nicht verlieren. „Menschen. Ich höre Schreie. Dann sind da nur noch Dunkelheit und Leere. Vor der Leere habe ich die meiste Angst.“ Er schloss die Augen. Hinter den geschlossenen Lidern sah er jedoch nicht die Traumszene, sondern Katherine, seine Braut, die in ihrem weißen Spitzenkleid auf ihn zukam. „Es ist … als würde nichts mehr existieren, nicht einmal mehr Schmerz. Manchmal habe ich Angst, dass das Nichts mich verschlingt.“
„Das wird es nicht.“ Katherine kniete sich vor ihn und hielt seine Hände. „Das kann es gar nicht.“
Er hob die Lider, und ihr Gesicht stand noch immer vor seinen Augen. In seinem Kopf und in der Realität. „Ich mache mir Vorwürfe, dass ich etwas übersehen habe. Hätte ich an jenem Tag besser aufgepasst, hätte ich es verhindern können. Es nagt ständig an mir. Warum habe ich überlebt, wenn all die anderen … Ich kann mir nicht vergeben.“
Sie drückte seine Finger. „Aus irgendeinem Grund redest du dir ein, dass du weniger wert bist, weil du überlebt hast. Das stimmt nicht, Zahir.“
„Du sagst es mit solcher Überzeugung.“
„Weil ich überzeugt bin. Sieh dir nur an, was du alles für Hajar erreicht hast. Du hast dein Land vorangebracht und stärker gemacht, und nun tust du das Gleiche für mein Land.“
„Es ist diese stete Stimme in meinem Kopf. Du weißt, wovon ich rede. Denn du hörst ständig die Stimme deines Vaters.“
„Wir brauchen dringend andere Stimmen. Neue Stimmen.“
„Da stimme ich dir zu.“
Sie ging zum Bett zurück und legte sich auf die linke Seite, eine Hand unter der Wange. Zahir legte sich auf die andere Seite, sodass er die Konturen ihres Körpers im schwachen Mondlicht sehen konnte.
Der Schlaf zog ihn herab in eine stille Dunkelheit. In seinen Gedanken und Träumen sah Zahir nur Katherine vor sich.
Katherine hätte niemals erwartet, dass sie froh sein würde, wieder in Hajar zu sein, doch es war eine Erleichterung. Altina war ihre Heimat, aber es bedeutete immer Stress, in der Nähe ihres Vaters zu sein. Hier in Hajar fühlte sie sich frei davon.
Sie fragte sich, ob Zahir sich jemals frei fühlte.
In der Hochzeitsnacht hatte er neben ihr gelegen, ohne auch nur den
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