Julia Extra Band 368
gelebt, als dass er sich sicher sein könnte, nicht zu viel von ihr zu verlangen.
Er wollte sie auch nicht neben sich liegen haben. Sie sollte nicht Zeugin seiner Albträume werden. Er vertraute sich nicht, ob er nicht zu tief in den Abgrund stürzen und sie dann vielleicht verletzen würde.
Doch die Albträume waren nicht gekommen. Er wusste nicht, wie er das einschätzen sollte.
Er stand vom Schreibtisch auf und streckte sich, beugte vorsichtig das Knie. Am schlimmsten war es immer, wenn er lange gesessen hatte. Oder wenn er das Bein zu sehr belastete. Ein konstanter Balanceakt, mit dem er sich inzwischen auskannte.
Seinen veränderten Körper hatte er immer als Gefängnis empfunden, eine Zelle, in die er eingesperrt war. Das war nicht wirklich er.
Doch das stimmte nicht. Ja, er hasste die Behinderung. Hasste es, auf einem Auge kaum noch etwas sehen zu können. Er hasste das steife Bein, hasste es, wie ein Monster auszusehen. Aber am schlimmsten waren die Flashbacks, obwohl es schien, dass er die mittlerweile im Griff hatte.
Trotzdem war es sein Körper , keine Gefängnisstrafe …
Ein vorsichtiges Klopfen erklang an der Tür. Es war also sicherlich nicht Katherine. Wenn er nur an sie dachte, begann es schon in seinen Lenden zu ziehen.
Rafiq, seine rechte Hand, der Mann, durch den er sich bei den meisten öffentlichen Anlässen vertreten ließ, trat lächelnd ein.
„Es freut mich sehr, dass die Hochzeit so gut verlaufen ist. Und ich muss mich noch einmal entschuldigen, dass ich nicht an der Feier teilnehmen konnte.“
„Das ist völlig in Ordnung. Die Geburt Ihres Sohnes war wichtiger.“ Für einen Moment fragte Zahir sich, wie es wohl wäre, eigene Kinder zu haben. Als er noch jünger gewesen war, hatte er ganz selbstverständlich angenommen, dass er eines Tages Vater werden würde. Jetzt jedoch … Das Baby würde Angst bekommen, sobald es ihn sah, und er würde nicht wissen, wie er damit umgehen sollte.
„Das Volk möchte Sie und Ihre Frau sehen.“
„Die letzten fünf Jahre hat mein Volk auch ohne meinen Anblick in aller Zufriedenheit gelebt.“ Die Fahrten durch die Stadt waren die Ausnahme gewesen.
„Nein, sie wollen Sie wirklich sehen. Die europäischen Zeitungen waren voll von der königlichen Hochzeit … vom Scheich und seiner Prinzessin.“
„Die Schöne und das Biest? Ich habe die Schlagzeilen gesehen. Seltsam, aber wenn ich die Wahl habe, nur wegen meiner Narben verspottet zu werden oder auch wegen meiner Heirat, ziehe ich die Narben vor.“
„So sehen es aber nur Sie, mein Freund.“
„Was schlagen Sie also vor, Rafiq?“
„Sie und Prinzessin Katherine werden sich der Öffentlichkeit präsentieren. Eine Hochzeitsfeier wäre ideal, damit hätte das Volk das Gefühl, teilzuhaben.“
„Es war nicht meine Absicht, mein Volk auszuschließen.“
„Aber sie fühlen sich ausgeschlossen, und …“
„Oh, Entschuldigung!“ Katherine stand in der Tür und schaute von einem zum anderen. „Ich wusste nicht, dass du beschäftigt bist“, sagte sie zu Zahir.
„Bestimmt wollen Sie sagen, dass es bisher niemand gewagt hat, den Scheich in seinen Privatgemächern zu stören. Ich bin Rafiq, der Berater des Scheichs. Es tut mir leid, dass wir bisher noch keine Gelegenheit hatten, uns miteinander bekanntzumachen. Aber meine Frau stand kurz vor der Geburt unseres Sohnes.“
Katherine nickte. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Rafiq.“
„Ich versuche Ihren Mann gerade zu überzeugen, eine Hochzeitsfeier für das Volk von Hajar zu arrangieren.“ Rafiq lächelte strahlend. Auch wenn Zahir wusste, dass Rafiq für keine andere als seine eigene Frau Interesse zeigte, so verspürte er doch jähe Eifersucht. Rafiq sah gut aus … zumindest sagten das die Frauen, und Zahir fragte sich, ob Katherine sich diesem Urteil anschließen würde.
„Die Fotos von der Hochzeit waren in allen europäischen Zeitschriften zu sehen. Ich denke, unser Volk fühlt sich stiefmütterlich behandelt.“
Schockiert sah Katherine Rafiq an. „Das können wir unmöglich zulassen.“
Zahir ballte die Fäuste. „Nein, natürlich nicht“, meinte er ironisch. „Aber sie seit Jahren denken zu lassen, ihr Herrscher sei verrückt … das ist völlig in Ordnung.“
„Die Hochzeit war aber ein Erfolg“, meinte Katherine.
Rafiq sah zu Zahir. „Ich überbringe nur das, was ich gehört habe.“
Jahrelang hatte sich sein Volk mit Legenden um seinen Scheich und Spekulationen über ihn zufriedengegeben. Doch jetzt
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