Julia Extra Band 369
in dem er realisierte, dass sie es wirklich ernst meinte. Seine Ungehaltenheit verschwand und machte etwas anderem Platz, etwas Berechnendem. Er lehnte sich in seinem imposanten Chefsessel zurück und strich sich nachdenklich über das Kinn. Wie ein Pokerspieler beherrschte er seine Körpersprache perfekt, und setzte sie gekonnt ein, um seine Gegner einzuschüchtern. Ein Nein war keine akzeptable Antwort für einen Mann wie Cayo Vila. Jetzt begann die Sache für ihn erst interessant zu werden.
„Aber warum?“, fragte er scheinbar ruhig. Er schien seine Strategie geändert zu haben und versuchte es nun auf die sanfte und einfühlsame Tour, wahrscheinlich in dem Glauben, sie so besser manipulieren zu können, vermutete Dru. „Sind Sie unglücklich?“
Was für eine absurde Frage! Dru stieß ein trockenes Lachen aus, und seine Augen wurden schmal.
„Natürlich bin ich unglücklich“, antwortete sie. „Ich habe keinerlei Privatleben. Im Grunde habe ich seit fünf Jahren überhaupt kein eigenes Leben mehr. Stattdessen habe ich mich um Ihres gekümmert, und das fast rund um die Uhr.“
„Wofür Sie auch außerordentlich gut bezahlt worden sind“, gab er mit betonter Schärfe zurück.
„Ich weiß, dass Sie mir wahrscheinlich nicht glauben werden“, erwiderte Dru fast mitleidig, „aber es gibt noch ein Leben neben der Arbeit.“
Wie versteinert blickte er sie an.
„Geht es um einen Mann?“, fragte er mit einer Stimme, die seltsam fremd in ihren Ohren klang. Wieder lachte sie kurz auf. Er konnte ja nicht ahnen, wie nah er damit der bitteren Wahrheit gekommen war.
„Ich möchte eine Gegenfrage stellen. Wann soll ich die letzten Jahre bitte schön Zeit gehabt haben, um mich mit einem Mann zu treffen? Im Büro oder auf Dienstreisen? Oder während ich damit beschäftigt war, Abschiedsgeschenke an Ihre Exgeliebten zu schicken?“
„Ah, ich verstehe“, sagte er reserviert. Sein Lächeln war schneidend kalt, und Dru fühlte sich, als würde der Boden unter ihr schwanken. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Miss Bennett. Nehmen Sie sich eine Woche frei. Vielleicht zwei. Suchen Sie sich einen Strand und ein bisschen Ablenkung. Trinken Sie ein paar Cocktails und stillen Sie ihre körperlichen Bedürfnisse. So oft wie nötig.“
„Eine charmante Idee“, sagte Dru steif, während eine dunkle Woge der Erinnerung sie durchflutete. „Und natürlich schätze ich Ihr Angebot. Aber ich bin nicht wie Sie, Mr Vila.“ So viele Jahre voller Sehnsucht und unterdrücktem Verlangen lagen hinter ihr. Sie dachte an die Hoffnung, die sie heimlich gehegt hatte, an ihre naiven Träume. Und an diese eine komplizierte Nacht in Cádiz vor drei Jahren, über die sie danach nie geredet hatten und über die sie auch nie reden würden. All das wirbelte gleichzeitig durch ihren Kopf. „Für Alphamännchen wie Sie mag das eine gängige Methode des Triebabbaus sein – aber nicht für mich. Ich habe Standards.“
Er blinzelte kurz, als hätte ihn der Schlag getroffen.
„Geht es Ihnen vielleicht nicht gut?“, fragte er mit unheilvoller Stimme und versteinerter Miene. „Oder haben Sie völlig den Verstand verloren?“
„Ich bin nur ehrlich, Mr Vila“, erwiderte sie scharf, obwohl die Warnsignale in ihrem Kopf immer lauter wurden. Alles in ihr schrie danach, sich umzudrehen und aus dem Büro zu laufen. Doch sie sprach weiter. „Ich verstehe, dass Sie eine solche Ansprache nicht gewohnt sind. Vor allem nicht von mir. Aber das passiert, wenn man sich so rücksichtslos dominant verhält. Sie sind umgeben von angepassten Günstlingen und unterwürfigen Angestellten, die sich allesamt nicht trauen, Ihnen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Und das weiß ich deshalb so genau, weil ich mich selbst all die Jahre damit zurückgehalten habe.“
Eine beängstigende Stille trat ein. Sie sah, wie seine muskulöse Brust unter dem Hemd bebte, und erwartete, dass er jeden Moment vor Wut explodieren würde. Sein Blick war auf sie geheftet, finster und aufgebracht.
„Sie sollten sich Ihre nächsten Worte sehr genau überlegen, bevor Sie den Mund wieder aufmachen“, sagte er mit trügerischer Ruhe. Sein Gesicht war zu einer stoischen Miene gefroren. „Es könnte nämlich ansonsten sein, dass Sie es bitterlich bereuen.“
Dieses Mal war Drus Lachen echt.
„Und genau das ist es, was Sie nicht verstehen“, sagte sie, und zugleich verspürte sie eine eigenartige, fast befremdliche Heiterkeit in sich aufsteigen. Vielleicht lag es daran, dass
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