Julia Extra Band 369
Überlaufen. Aus einem plötzlichen Impuls heraus holte Dru aus und schleuderte einen ihrer Schuhe in Richtung seines Kopfes. Wie ein gefährliches Geschoss wirbelte er durch die Luft. Gleich, gleich würde er getroffen werden, sah Dru es schon kommen.
Doch im letzten Moment riss Cayo die Hände vors Gesicht und fing den Schuh gerade noch rechtzeitig auf.
Mit leicht geöffnetem Mund und ungläubigem Blick starrte er sie an. Seine goldbraunen Augen funkelten aufgebracht. Doch da war noch etwas. Etwas, das wie ein Echo laut in ihr widerhallte. Ob er auch gerade an ihren Kuss zurückdachte? Es schien fast so. Aber nein, das war unmöglich, rief sich Dru zur Vernunft. Das war einzig und allein ihrer Fantasie entsprungen.
Dru keuchte leise, fast als wäre sie ihm entgegengeflogen anstelle des Schuhs. Zugleich spürte sie dieselbe Hitze in sich aufsteigen, die sie so oft in seiner Nähe fühlte. Mit klopfendem Herzen schob sie diese Reaktion auf ihre Wut.
„Das nächste Mal“, zischte sie zwischen den Zähnen, „werde ich treffen.“
Wieder einmal hatte Dru ihn völlig überrumpelt. Und es gefiel Cayo ebenso wenig wie in London.
Ihre grauen Augen blickten alarmiert und entschlossen. Er mochte nicht, was er darin sah, und wollte es auch nicht weiter ergründen. Ihm missfiel die leichte Röte auf ihren Wangen und auch die Art, wie sie barfuß vor ihm stand. Einige Strähnen hatten sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst und fielen ihr ins Gesicht. Sie sah einfach unglaublich aus. Unglaublich sexy .
Er musste sich fast zwingen, seinen Blick von ihr zu lösen. Cayo betrachtete den Schuh in seiner Hand, den er eben aufgefangen hatte. Ja, sie hatte ihn als Waffe benutzt, aber er war auch noch etwas anderes, nämlich eines jener aufregend femininen Accessoires, die er nicht unbedingt mit seiner persönlichen Assistentin in Verbindung bringen wollte. Er wollte nicht an ihre schlanken Beine denken, nicht daran, wie sie in ihre eleganten High Heels schlüpfte, und auch nicht an ihre Hüften, die sich bei jedem ihrer Schritte verführerisch bewegten. Nein, an all das wollte er nicht denken.
Verflucht!
Cayo stand langsam auf und erhob sich zu seiner vollen Größe, ohne Dru dabei aus den Augen zu lassen.
„Was soll ich nur mit Ihnen machen?“ Ihr Widerstand machte ihn ganz ungeduldig und er ärgerte sich, dass er nicht Herr dieser Situation wurde. Trotzdem konnte er nicht aufhören, sie anzusehen.
„Ihre Frage kommt ein wenig spät“, erwiderte sie spitz. „Sie hätten mich zum Beispiel befördern können. Aber das haben Sie nie getan. Stattdessen entführen Sie mich.“
Plötzlich erinnerte sich Cayo, dass sie nicht alleine waren. Mit einer knappen Handbewegung winkte er die anhängliche Blondine aus dem Salon. Leise fluchend verließ die junge Frau den Raum.
Cayo warf Drusillas High Heel auf den Platz, auf dem eben noch seine Begleiterin gesessen hatte, und fragte sich, warum er überhaupt noch mit Drusilla redete. Was erlaubte sich seine Assistentin eigentlich? Und warum in aller Welt hatte er das dringende Bedürfnis, ihr die Gründe dafür zu erklären, warum er sich vor drei Jahren gegen ihre Beförderung ausgesprochen hatte? Er hatte sich doch noch nie für irgendetwas gerechtfertigt.
„Eine Begründung ist überflüssig, ich muss mich nicht erklären“, sagte er schneidend, um ihr zu zeigen, wo ihr Platz war. Sie versteifte sich, und etwas wie Schmerz flackerte in ihren grauen Augen auf. Zum ersten Mal seit Jahren verspürte Cayo einen Anflug von Scham in sich aufsteigen. Er ignorierte es.
„Was sind Sie nur für ein schrecklicher Mensch?“, erwiderte Dru hörbar gekränkt. „Ihr Verhalten kann man ja schon fast pathologisch nennen.“
„Die Medien nennen mich eine Naturgewalt“, erwiderte er kühl, auch um sie daran zu erinnern, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte. Er war niemand, der Gehorsamsverweigerung lange duldete, und ihre hatte er nun schon seit Stunden toleriert, sogar einen gewalttätigen Angriff auf seine Person. Einem Mann hätte er es schon längst in gleicher Münze heimgezahlt.
Genug ist genug! dachte er ungeduldig.
Er ging auf sie zu, und an der Art, wie sie nervös schluckte, konnte er erkennen, dass sie nicht so gleichgültig war, wie sie vorgab. Eine verführerische Erinnerung wurde in ihm wach. Gefährlich wach.
Unruhig trat Drusilla von einem Fuß auf den anderen und erinnerte ihn dabei nur umso mehr an die Tatsache, dass sie eine Frau war – und kein gefühlloser
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