Julia Extra Band 369
einfach in seine Arme zog und dem inneren Drang nachgab. „Betrachten Sie es als ein Geschenk für Ihre langjährigen Dienste, wenn Sie möchten.“
Etwas flackerte in ihren Augen auf und verschwand dann ebenso schnell wieder, wie es gekommen war. Cayo sah sie an und fragte sich, was in ihr vorging. Ob sie sich innerlich auch so hin und her gerissen fühlt?
Er konnte es nur vermuten.
„Ich hoffe, dieses Geschenk wird mit meinen zwei Wochen verrechnet“, sagte sie und ihre Augen verengten sich. „Denn mehr Zeit bleibt Ihnen mit mir nicht, Mr Vila.“
„Ich weiß. Aber hatten Sie nicht gesagt, das sei der Ort, wo Sie hinwollten, Miss Bennett?“ Er wollte ihr nicht zeigen, wie enttäuscht er über ihre nüchterne Reaktion war. Aber was hatte er von ihr erwartet? Dass sie ihm vor Freude um den Hals fiel? Wohl kaum. Vielleicht war es die Art und Weise gewesen, wie sie ihn gestern angeschaut hatte, denn irgendetwas war heute anders.
„Ja, das ist richtig“, stimmte sie ihm zu. „Ich möchte nach Bora Bora.“ Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. „Aber ich habe nie gesagt, dass ich mit Ihnen da hinmöchte.“
Für Cayo war es wie ein Schlag ins Gesicht. Doch immerhin war sie ehrlich.
„Nun, das Leben ist eben voller Kompromisse.“ Sein spanischer Akzent war nicht zu überhören.
„Ach!“ Sie sah ihn fast ein wenig amüsiert an. „Woher wissen Sie das?“
Cayo stellte seinen Espresso beiseite und entschied, dass er schlicht und ergreifend müde war und dass das der einzige Grund war, warum er sich so durcheinander fühlte.
„Ihre Anfeindungen werden mir allmählich zu viel“, sagte er nach einer Weile mit ruhigem Ernst. „Sie werfen mir vor, ein schlechter Mensch zu sein, letzte Nacht wollten Sie mir suggerieren, dass ich mich vor irgendetwas fürchte, heute, dass ich nicht weiß, was ein Kompromiss bedeutet, und vor wenigen Tagen war ich für Sie noch ein triebgesteuertes Alphamännchen.“ Ihre Wangen nahmen einen rötlichen Schimmer an, stellte er fasziniert fest. „Ich denke, Sie haben die Meinung, die Sie mir bezüglich hegen, zur Genüge kundgetan. Ich bin also für Sie ein Ungeheuer.“
Ungeheuer. Dieses Wort hallte wie ein Echo durch seinen Kopf und weiter durch die schmalen Gassen seines Heimatdorfes, das er an seinem achtzehnten Geburtstag verlassen hatte. Vor seinem inneren Auge erschien sein Großvater, der ihn einst so unbarmherzig von sich gewiesen hatte.
„Sie sind kein Mann, der andere Menschen für irgendetwas um Erlaubnis bittet“, sagte Drusilla vorsichtig abwägend. „Die Folgen Ihres Handelns sind Ihnen gleichgültig.“ Sie griff nach der Kanne und schenkte sich eine Tasse Tee ein, dabei streifte ihr Blick ihn kurz. „Sie kümmert nichts, außer, wie Sie Ihr Geld noch besser anlegen und Ihr Vermögen mehren können.“
Cayo verspürte plötzlich den übermächtigen Drang, sie auf der Stelle an sich zu ziehen, sie zu küssen und zu berühren. Er wollte ihre Haut auf seiner spüren, ihren Duft einatmen und ihr so nah sein, wie man einem anderen Menschen nur nah sein konnte.
Doch er tat nichts dergleichen.
„Sie haben völlig recht, mich kümmert nichts“, entgegnete er kühl, als würde er die knisternde Spannung, die im Raum lag, nicht bemerken. „Denn das ist Ihre Aufgabe, und dafür bezahle ich Sie.“ Dann griff er nach der Financial Times, die neben ihm auf dem Tisch lag, und begann darin zu lesen.
Vor ihnen lag eine unglaublich lange Reise.
Ich möchte Sie einfach nicht verlieren. Immer und immer wieder dachte Dru an Cayos Worte. Gleich nach dem Frühstück hatte sie sich um das Packen der Koffer gekümmert. Seine Kleidung war bei einem bekannten italienischen Herrenausstatter besorgt worden, ihre in einem großen Kaufhaus, nur einen Steinwurf vom Mailänder Dom entfernt. Den restlichen Tag verschickte sie unzählige Mails, führte eine ganze Reihe von Telefonaten und ging den üblichen Pflichten ihres Jobs nach.
Doch die letzte Nacht wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. Die kühle Abendluft, die tiefschwarze Dunkelheit, seine warme Hand an ihrer Wange, und dann sein Blick, der sie gefangen hielt. Aber warum fühlte sich heute alles so anders an? Es hatte sich doch gar nichts verändert.
Am späten Abend bestiegen sie Cayos großen Privatjet, der bereits auf dem Rollfeld des Mailänder Flughafens auf sie wartete. Dru ging direkt in ihre Schlafkabine und schloss die Tür hinter sich, dann streckte sie sich auf dem Bett aus und
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