Julia Extra Band 369
eine frische Erdbeere, und der Saft lief ihm am Kinn herab.
„Das weiß ich nicht, aber ich glaube, wir fahren bald zu Rafes Haus in den Bergen. Würde es dir gefallen, die Berge zu sehen?“
Max runzelte die Stirn, und Freya wusste, der kleine Junge ließ sich nicht so leicht täuschen. Obwohl sie sich bewusst heiter gab, spürte er, dass etwas nicht stimmte.
„Ich will dann schwimmen gehen“, sagte er schließlich.
Er erinnerte sich also an den Swimmingpool, von dem Rafe gesprochen hatte. „Das wirst du auch. Hier in Spanien ist es viel wärmer. Man kann praktisch das ganze Jahr über draußen schwimmen.“
Das stellte den Jungen vorerst zufrieden, und er widmete sich wieder mit Appetit seinen Früchten. Gott sei Dank waren Kinder zäher, als man es ihnen zutraute.
Auf jeden Fall zäher als sie … Nach der gestrigen Nacht fühlte Freya sich zerbrechlich wie Glas.
Noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, kam Rafe in die Küche. Er war offensichtlich auf dem Weg ins Büro, wirkte kühl und distanziert in dem maßgeschneiderten Anzug. Er wünschte Maria, der Haushälterin, einen guten Morgen und nahm eine Tasse Kaffee entgegen, bevor er sich zu den beiden am Tisch umdrehte.
„Guten Morgen, Maximo.“ Sein Lächeln galt eindeutig nur seinem Sohn. Freya sah er nicht einmal an. „Ich fürchte, heute muss ich noch arbeiten, aber morgen fahren wir dann zu meinem Haus in Andalusien, bueno ?“
Max nickte schüchtern. „Bueno.“
Dann erst wandte Rafe sich an Freya, und seine Augen verengten sich unmerklich. Dennoch konnte sie es sehen. Fühlte es. Er war verärgert über sie, gab ihr die Schuld. So wie sie selbst sich die Schuld gab. „Wir unterhalten uns heute Abend.“
Sie nickte mit nüchterner Miene. Sie würde sich den in ihr tobenden Gefühlstumult nicht anmerken lassen. In einem Moment der Schwäche hatte sie Rafe ihren Körper überlassen, Zugang zu ihrem Kopf oder ihrem Herzen würde er nicht erhalten. Das wäre zu riskant, zu schmerzhaft.
Nach dem Frühstück unternahm Freya mit Max einen Spaziergang durch die Nachbarschaft. Sie bummelten an Schaufenstern vorbei und machten noch einen Abstecher ins nahe gelegene Museo de Escultura Abstracta.
Nach dem Lunch war Max so müde, dass er sofort einschlief, als Freya ihn hinlegte. Sie selbst wollte sich auch ausruhen, hatte sie doch nur wenig Schlaf in der Nacht finden können. Ihr Körper summte noch immer von der Erfahrung, ihre Seele blutete vor Reue. Und trotz allem begehrte sie Rafe noch immer. Zumindest ihr Körper. Er sehnte sich nach seiner Berührung.
Sie döste unruhig, bis Max aufwachte, zusammen aßen sie das leichte Dinner, das Maria zubereitet hatte. Rafe war noch nicht zurückgekommen, auch als Freya Max gebadet, zu Bett gebracht und ihm seine Lieblingsgeschichte zweimal vorgelesen hatte.
„Wann kommt Rafe?“, fragte er, obwohl ihm die Augen schon halb zufielen.
„Nachher. Und morgen fahren wir dann zu seinem Haus“, versprach sie.
„Das mit dem Pool?“
„Ja, mit dem Pool.“ Sie war froh, dass es für Max so einfach war.
Sie blieb, bis er eingeschlafen war. Der Laut der schlagenden Wohnungstür – und das Flattern in ihrem Bauch – sagten ihr, dass Rafe zurück war.
Ihr war klar, dass sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen konnte, trotzdem grauste ihr davor, ihm gegenüberzutreten.
Auf der Schwelle zum Wohnzimmer blieb sie stehen und sah zu, wie er das Jackett auszog und seine Krawatte lockerte. Als er sich zu ihr umdrehte, schien die Luft zu gefrieren.
„Schläft Max schon?“
Freya nickte nur. Sie traute ihrer Stimme nicht.
Rafe atmete tief durch. „Gestern Nacht … Das hätte nicht passieren dürfen.“ Er schwieg mit harter Miene, die Atmosphäre zwischen ihnen angespannt. „So etwas hatte ich nie im Sinn.“
Wie er das „Ich“ betonte … Freya versteifte sich. „Ich ebenfalls nicht.“
Durchdringend sah er sie an. „Wirklich nicht?“
Also schob er ihr die Schuld zu! Es überraschte sie nicht, trotzdem war es verletzend. „Glauben Sie tatsächlich“, fragte sie ruhig, „dass ich Sie verführt habe?“
Rafe zuckte genervt die Schultern. „Ich weiß nicht, was ich glaube.“
Freya entspannte sich etwas. Sie hatte mit weiteren Vorwürfen gerechnet. So wie damals. Doch trotz Rafes Eingeständnisses fühlte sie sich schuldig. Ob sie das alte Schuldgefühl je würde abschütteln können?
Er musterte sie, und sie hatte das Gefühl, als könnte er ihr bis in die Seele sehen. Ihre
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