Julia Extra Band 369
einer alleinerziehenden Mutter war, die zwei Jobs hatte, um ihnen das Dach über dem Kopf zu erhalten.
Mit einem müden Seufzer stellte Casey ihre Handtasche ab. Seit heute Morgen war sie auf den Beinen, hatte ihren Sohn zur Schule gebracht, um dann gleich zu dem Bistro zu gehen, in dem sie bis nach der Stoßzeit um Mittag arbeitete. Danach hatte sie Josh abgeholt, den Nachmittag mit ihm zu Hause verbracht, um schließlich am Abend ihre zweite Stelle in der Küche eines hiesigen Hotels anzutreten.
Es war ein wirklich langer Tag gewesen und sie hatte keine Lust, sich jetzt auch noch auf ein Wortgeplänkel mit Xander Fraser einzulassen, ganz gleich, wie verboten gut er aussah. „Was kann ich für Sie tun, Mr Fraser?“
Mit ihrer zierlichen, ja fast mageren Gestalt in schwarzem T-Shirt und ausgewaschenen Jeans, nur knapp über einen Meter sechzig groß, wirkte Casey Bridges wie ein Spatz, der einen Falken attackierte. Die blonde Kurzhaarfrisur schmiegte sich um das herzförmige Gesicht, das von dunkelgrünen Augen dominiert wurde. Sie sah regelrecht zerbrechlich aus – und sie war definitiv erschöpft.
Noch während er das dachte, schwankte sie leicht. Abrupt stand er auf.
„Setzen Sie sich, bevor Sie noch umfallen.“
Sein Befehlston gefiel ihr nicht, man sah es ihr an, dennoch setzte sie sich. Vermutlich, weil ihr klar war, dass er sie sonst hochheben und höchstpersönlich in dem Sessel absetzen würde.
Sessel, Tisch und Lampe waren die einzigen Möbelstücke im Raum, wie ihm aufgefallen war. Einen Fernseher gab es nicht, und als er sich bei seiner Ankunft im Haus umgesehen hatte, musste er feststellen, dass die anderen Zimmer nicht besser ausgestattet waren. Casey Bridges hatte das minimalistische Einrichtungskonzept zu „spartanisch“ reduziert.
Oder es gab einen anderen Grund dafür – wie seine Tochter schon vermutet hatte.
„Was genau geht hier vor, Casey?“ Seine blauen Augen musterten sie durchdringend. Er sah die dunklen Ringe unter ihren Augen und die Blässe ihrer hellen Haut. „Wo waren Sie heute Abend?“ Er hatte gedacht, sie sei mit Freunden unterwegs – vielleicht sogar mit nur einem speziellen Freund, schließlich hatte ihr Mann sie vor über einem Jahr verlassen –, doch sie sah nicht aus wie eine junge Frau, die von einem unterhaltsamen Abend zurückkehrte.
Sie schüttelte leicht den Kopf, hatte offensichtlich etwas von ihrer Haltung wiedergefunden. „Das geht Sie nicht unbedingt etwas an, Mr Fraser.“ Sie stand auf. „Ich werde nach Josh sehen. Ist er wach geworden? Hat er gemerkt, dass Hannah nicht hier ist?“
„Mit Josh ist alles in Ordnung“, versicherte er. „Einmal ist er aufgewacht, aber als ich ihm sagte, dass ich Laurens Daddy bin, war er beruhigt. Wussten Sie, dass er und Lauren Freunde sind?“
Ja, das wusste sie. Ironischerweise waren die beiden Kinder während der Besuche beim anderen Elternteil, die sich häufig überschnitten hatten, zu Freunden geworden. Acht Monate hatten Sam und Chloe zusammen gewohnt, bevor sie vor vier Monaten ums Leben gekommen waren. Casey wusste auch, dass ihr Sohn Lauren vermisste.
„Ja. Ich möchte trotzdem nach ihm sehen. Wenn Sie hier warten würden … dann können wir unser Gespräch gleich weiterführen.“
Ohne ihn direkt anzusehen, drehte sie sich um und stieg die Treppe zu Joshs Zimmer mit einem Gefühl von Erleichterung hinauf.
Sie musste zugeben, dass es an ihren Nerven zehrte, Xander Fraser in ihrem kleinen Haus vorzufinden. In dem Haus, in dem sie erst mit ihren Eltern gelebt hatte, dann mit Sam und Josh und jetzt schließlich nur noch mit Josh. Das Haus, das sie unter keinen Umständen hergeben würde.
Sie hatte nicht die geringste Ahnung, worüber Xander Fraser mit ihr sprechen wollte, aber es war anscheinend wichtig genug, dass er sich die Mühe gemacht hatte herauszufinden, wo sie wohnte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass seine Exfrau es ihm verraten hatte. Die beiden Treffen mit ihm hatten sich zufällig ergeben, als sie ihre Kinder aus dem Haus abholten, das Sam und Chloe so kurz gemeinsam bewohnt hatten. Der faszinierend schönen Chloe war nichts anderes übrig geblieben, als sie miteinander bekannt zu machen – wobei ihr Blick aus den blauen Augen die ganze Zeit über argwöhnisch auf ihnen gelegen hatte.
Selbst wenn Chloe nicht die „andere Frau“ gewesen wäre, die ihr den Ehemann gestohlen hatte … Casey hatte die übertrieben elegante Chloe auf Anhieb unsympathisch gefunden. Nein, die
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