Julia Extra Band 370
ein Recht überhaupt je existiert hat.“ Er hielt einen Moment inne und fuhr dann fort: „Aber du warst ja sowieso keine Jungfrau mehr.“
Roxy schluckte, bevor sie entschlossen das Kinn reckte und ruhig erwiderte: „Du auch nicht, Titus. Warum sollten Frauen denn nicht Sex haben dürfen, wenn sich Männer dieses Recht auch ständig herausnehmen? In welchem Jahrhundert lebst du denn“
„Ich glaube nicht, dass das etwas mit Rückständigkeit zu tun hat“, wehrte er in arrogantem Ton ab. „Ich würde dieses männliche Verhalten viel eher als eine Art biologischer Imperativ bezeichnen, um das Überleben der Gattung zu sichern.“
„Soll das jetzt ein Witz sein oder was?“ Sie schnaubte verächtlich. „Wir leben doch nicht mehr in der Steinzeit. Dann würde ich nämlich jetzt eingehüllt in ein Stück Fell in einer Höhle sitzen und über dem offenen Feuer ein Stück Fleisch braten. Aber du gehst schließlich auch immer noch auf die Jagd, Titus. Deshalb hat sich vielleicht doch nicht allzu viel geändert.“
Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ihre Unverblümtheit gehörte zu den Dingen, die er von Anfang an bewundert hatte.
„Auf jeden Fall würde dir so ein Fell verdammt gut stehen“, meinte er friedfertig, während er den Wagen zum Stehen brachte. „Und wenn du jetzt vielleicht einfach mal für einen Moment den Mund halten würdest, könntest du nämlich den Kopf wenden und das Meer sehen.“
Als Roxy seiner Aufforderung folgte, erblickte sie einen Küstenstreifen, den sie vorher noch nie gesehen hatte. Vor ihr lag ein breiter, in eine glitzernde weiße Schneedecke eingehüllter Strand, an den sich das mit riesigen Eisschollen bedeckte Meer anschloss. Darüber wölbte sich ein klarer blassblauer Himmel, aus dem sich ein schlicht sensationelles Licht ergoss. Plötzlich verstand Roxy, warum sich von dieser Gegend schon seit jeher so viele Maler und Schriftsteller angezogen gefühlt hatten.
„Oh, Titus, das ist einfach traumhaft!“, rief sie, während sie aus dem SUV hüpfte.
Titus verriegelte die Türen, dann stapften sie los. Als ihm irgendwann auffiel, dass Roxy keine Handschuhe trug, runzelte er die Stirn und blieb stehen, um ihre eiskalten Finger so lange zwischen seinen Handflächen zu reiben, bis sie warm geworden waren. Anschließend verlangte er, dass sie seine schon recht ramponiert wirkenden Lederhandschuhe anzog, während er selbst seine Hände tief in den Taschen seiner dicken Winterjacke vergrub. Der Wind zerrte wie ein übermütiger kleiner Hund an Roxy, was sie bewog, sich bei Titus einzuhängen. Als er daraufhin kurz ihren Ellbogen drückte, machte Roxys Herz einen Satz, weil seine Reaktion fast so etwas wie ein vertrautes Einverständnis zu signalisieren schien. Wie war es möglich, dass sich dieser Spaziergang mit ihm intimer anfühlte, als wenn sie nackt zusammen im Bett lagen?
Erst bei Sonnenuntergang machten sie sich auf den Rückweg. „Was hältst du davon, wenn wir in Burnham Market zum Aufwärmen noch einen Tee trinken?“, fragte er. „Es ist wunderhübsch dort. Im Moment ist zwar keine Saison, aber irgendwo werden wir schon eine Tasse Tee bekommen.“
„Ich … ich … ja, gern.“ Roxy fühlte sich plötzlich seltsam verunsichert, weil sie ihn insgeheim verdächtigt hatte, diesen einsamen Strand nur gewählt zu haben, damit niemand sie zusammen sah.
Natürlich fiel es Titus nicht schwer, einen urgemütlichen alten Pub zu finden, wo sie vor einem brennenden Kamin Tee tranken und Scones mit Clotted Cream und Marmelade aßen. Titus schenkte ihnen Tee nach, während Roxy sich entspannt auf ihrem Stuhl zurücklehnte und überlegte, wann sie jemals in ihrem Leben so rundum zufrieden gewesen wäre. Die angenehme Wärme des flackernden Kaminfeuers breitete sich auf ihrem von Kälte und Wind angenehm kribbelnden Gesicht aus. Es fühlt sich alles so richtig an, dachte sie. Einfach nur mit Titus so gemütlich hier zu sitzen. Und das Glitzern in seinen grauen Augen zu sehen, wenn sich ihre Blicke trafen und er den Mund zu einem Lächeln verzog, bei dem ihr gleich noch wärmer wurde. Es war einfach herrlich … bis auf die Tatsache, dass ganz weit hinten in ihrem Kopf die Alarmglocken läuteten, was sie jedoch entschlossen überhörte.
Anschließend ging er mit ihr in ein kleines, reizend altmodisches Kurzwarengeschäft und kaufte ihr ein Paar wunderbar weiche fliederfarbene Kaschmirhandschuhe. Auch wenn die helle Farbe nicht gerade praktisch war, hatte sich Roxy auf
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