Julia Extra Band 370
Hotels legt ja sehr hohen Wert auf Sicherheit. Auch du hast also einen Ruf zu verlieren.“ Herausfordernd musterte sie ihn.
Ein leichtes Zucken neben Angelos Mund verriet, dass sie einen Nerv getroffen hatte. „Ich habe Grund zu der Annahme, dass dein Bruder es speziell auf mein Hotel abgesehen hatte.“
„Wie kommst du darauf?“
Angelo zog ein Blatt Papier aus einer Schreibtischschublade und schob es Natalie wortlos zu.
Entsetzt erkannte sie Lachlans Handschrift. Das Schreiben war an Angelo adressiert und lautete: ‚Für das, was du meiner Schwester angetan hast.‘
Mit bebender Hand gab sie Angelo das Blatt zurück. „Mir fehlen die Worte“, gestand sie. „Ich habe Lachlan nie von uns erzählt. Als wir uns die Wohnung in Notting Hill geteilt haben, war er dreizehn und im Internat. Er hat dich nie kennengelernt.“
Gleiches galt für den Rest ihrer Familie. Natalie war sorgfältig darauf bedacht gewesen, Angelo vor der Bigotterie ihres Vaters und der beschämenden Untertänigkeit ihrer Mutter zu bewahren.
„Irgendwas musst du ja zu ihm gesagt haben“, meinte Angelo. „Wie wäre er sonst dazu gekommen, mir das zu schreiben?“
Natalie dachte nach. Sie hatte niemandem die ganze Wahrheit gesagt, sondern lediglich erwähnt, dass sie die kurze Affäre mit Angelo beendet hatte, um sich voll und ganz ihrer Karriere zu widmen. Nicht einmal ihrer besten Freundin Isabel Astonberry hatte sie anvertraut, wie sehr sie unter der Trennung von Angelo litt. Sie hatte behauptet, von Angstzuständen geplagt zu sein. Selbst ihr Arzt hatte den Gewichtsverlust und die Schlaflosigkeit darauf geschoben. Irgendwann hatte Natalie es fast selbst geglaubt und sogar die vom Arzt verschriebenen Medikamente eingenommen. Das Zeug hatte dazu geführt, dass sie ihre Umgebung wie durch Watte wahrgenommen und sich wie ein Zombie gefühlt hatte.
Irgendwann hatte sie sich selbst aus dem Tief befreit und ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Harte Arbeit war noch immer die beste Therapie. Gleich nach dem Examen als Innenarchitektin hatte der Erfolg sich eingestellt. Ihr Onlineshop boomte. Sie plante sogar, Filialen in ganz Europa zu eröffnen. Inzwischen hatte sie genug Personal einstellen können, um sich ganz auf ihre Lieblingsbeschäftigung zu konzentrieren: das Entwerfen von Bettwäsche, Handtüchern und anderen Accessoires aus Stoff.
Sie hatte es ganz allein geschafft, ohne das Geld ihres Vaters und ohne ihre gesellschaftliche Stellung auszunutzen. Genau wie Angelo, der auch von dem Ehrgeiz getrieben war, sich ohne Hilfe ein Imperium aufzubauen.
„Natalie?“ Angelos tiefe Stimme schreckte sie aus dem Tagtraum. „Hast du eine Erklärung für dieses Schreiben?“
Sie senkte den Blick und schob sich eine Strähne hinters Ohr. „Nein, ich bin völlig ratlos.“
„Dein Bruder muss gewusst haben, dass er dich damit in Schwierigkeiten bringt.“
Natalie sah wieder auf. „Hunderttausend Pfund sind viel Geld. Aber nicht, wenn es um die Freiheit eines Menschen geht.“
Angelo lächelte rätselhaft. „Fragt sich nur, um wessen Freiheit es hier geht.“
Neue Panik durchzuckte sie. „Könntest du bitte aufhören mit deinen Spielchen? Warum sagst du nicht einfach, was du wirklich willst.“
Seine dunklen Augen glitzerten hart. „Du weißt genau, was ich will, Natalie: dasselbe wie vor fünf Jahren.“
Ihr stockte der Atem. „So kaltblütig bist du nicht, Angelo, auf eine Affäre aus zu sein mit einer Frau, die du hasst.“
Er lächelte kühl. „Wer hat was von einer Affäre gesagt?“
Ihr brach der Angstschweiß aus. „Du machst Witze“, stieß sie schließlich heiser hervor und konnte den Blick nicht von Angelos dunklen Augen abwenden. Ein erotisches Prickeln überlief sie. Das Knistern zwischen Angelo und ihr war deutlich spürbar. Wieder hatte nur ein Blick genügt, heißes Verlangen in ihr zu entfesseln. Doch das musste sie vor Angelo verbergen.
„Ich wünsche mir eine Ehefrau“, erklärte er so beiläufig, als würde er eine Tasse Kaffee bestellen.
„Viel Glück bei der Suche“, sagte Natalie betont kühl.
„Ich habe sie bereits gefunden.“
„Was soll das, Angelo? Willst du mich erpressen?“
Lässig zuckte er die Schultern. „Bis zur Gerichtsverhandlung wird dein Bruder vermutlich Monate in Untersuchungshaft schmoren, vielleicht ein Jahr. In Italien dauert das nun mal so lange. Und glaub ja nicht, er käme ungeschoren davon. Ich habe genug Beweismaterial, um ihn für Jahre hinter Gitter zu
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