Julia Extra Band 372
sie geküsst werden wollte. Es war einfach unbeschreiblich. Und noch lange nicht zu Ende.
Er war ein unglaublich zärtlicher und liebevoller Liebhaber gewesen, der ihr den Atem geraubt hatte, bis sie nur noch hilflos schreien konnte. Und der sie dann mit zärtlichen Berührungen und sanften Worten langsam wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt hatte. Wie sehr sie sich wünschte, mit ihm zu schlafen!
Doch genau hier lag das Problem: Sosehr sie es vom Gefühl her auch wollte, ihre Vernunft sagte etwas anderes.
Sie riss sich los, obwohl alles in ihr dagegen aufbegehrte. „Jetzt haben wir uns schon wieder hinreißen lassen. Aber es gibt kein Zurück. Niemals.“ Sie hielt die Luft an, dann atmete sie langsam und kontrolliert aus, bis die Vernunft ihr Verlangen besiegte. „Es wäre falsch.“
„Davon haben wir uns damals nicht abhalten lassen.“ Sein Blick ruhte auf ihr, und der ernste, erwachsene J. C. wurde langsam wieder sichtbar. „Du hast recht.“
„Schön. Ich bin froh, dass du meiner Meinung bist.“ Warum verspürte sie dennoch eine gewisse Unzufriedenheit? Warum nur war er immer so vernünftig? Jedes Mal, wenn sie in den letzten Tagen den alten J. C. entdeckt zu haben glaubte, kam schon nach kurzer Zeit wieder dieser vernünftige, leidenschaftslose, neue J. C. zum Vorschein. „Also gut, sollen wir noch arbeiten?“ Sie wühlte in ihrer Tasche nach Stift und Block.
„Eigentlich ist mir nicht nach arbeiten zumute. Lass uns lieber etwas Spaß haben“, sagte er lächelnd. Und schon blieb von dem ernsthaften J. C. keine Spur mehr übrig. „Treffen wir uns in einer Stunde wieder. Und zieh dir eine Schneehose an.“
Henry stand oben auf dem Hügel, dick in seinen Schneeanzug eingepackt wie ein zerbrechliches Weihnachtsgeschenk. Sein Gang erinnerte mehr an die ruckhaften Bewegungen eines Roboters als an einen kleinen Jungen. Doch er strahlte vor Glück, und das Lachen schien sich gar nicht mehr aus seinem Gesicht verabschieden zu wollen.
J. C. fühlte sich, als könne er das erste Mal seit einem Monat wieder befreit durchatmen.
Seine Mutter öffnete sich wieder für Henry, und so langsam schien sie auch Vorfreude auf das Fest zu empfinden. Als er mit Henry aufgebrochen war, roch das ganze Haus nach dem Braten im Ofen. Schritt für Schritt würde alles wieder in Ordnung kommen, sagte er sich selbst und sah Henry an. Dessen Augen strahlten jenen verzauberten Glanz aus, für den er all die Arbeit mit dem Wintervergnügen auf sich nahm.
Grace stiefelte den Hügel zu ihnen hinauf. In ihrem dicken blauen Wintermantel und der Schneehose sah sie gleichzeitig wetterfest und sexy aus. Ihre fast kniehohen Stiefel mit Zebramuster und Puschelrand waren wie ein Abbild von ihr: So außergewöhnlich sie waren, zauberten sie einem doch ein Lächeln auf die Lippen.
„Schlittenfahren? Das hast du mit Spaß gemeint?“
„Genau.“
Sie schaute auf den länglichen Holzschlitten, den er in der Hand hielt. „Ich fahre nur, wenn du auch fährst.“
„Wie du sicher noch weißt, ist Schlittenfahren nicht gerade mein Spezialgebiet.“
„Ein kleiner Unfall, J. C. Vor ewigen Zeiten. Ich bin mir sicher, dass du seitdem dazugelernt hast.“
Henry zog J. C. am Ärmel. „Fahren wir jetzt, Onkel Jace?“
J. C. hatte gedacht, dass Grace mit Henry rodeln würde, während er einige Telefonate erledigte. Auch wenn er gerne mitfahren würde, waren noch Details einer Übernahme zu besprechen, und Anwälte, Buchhalter und weitere Anzugträger warteten auf seine Entscheidungen. Carson Investments war im Grunde wie ein Kind, das ständige Aufmerksamkeit forderte. Hoffentlich brach es Henry nicht das Herz. „Tut mir leid, Kleiner, aber Grace wird mit dir Schlitten fahren.“
Trotzig erklärte Henry: „Du sollst aber auch mit.“
„Zwei Stimmen gegen eine“, sagte Grace. „Du wirst doch nicht etwa kneifen?“
Ihr herausfordernder Ton weckte etwas in ihm, das sehr lange geruht hatte. Etwas, das ihn an sich selbst als Jungen erinnerte.
An den Jungen, der an ihren gemeinsamen heißen Sommertagen für kurze Augenblicke vergessen hatte, dass zu Hause noch all die vom Vater auferlegten Extraarbeiten warteten. Der einfach nur Spaß gehabt hatte und er selbst gewesen war. Damals, vor all den E-Mails und Vorstandssitzungen, vor dem vollen Terminkalender und der ewigen Rüstung der Geschäftsanzüge.
Schneefall setzte ein, und die leichten Flocken schmolzen auf seinem Mantel und seinem Gesicht.
„Gut, also los.“ J. C. nahm den
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