Julia Extra Band 372
mal.“
„Deine Grandma ist nicht da. Ob sie einkaufen ist?“
„Sie geht oft in die Kirche.“
„Ah.“ Dann mochte sie in fünf Minuten wieder hier sein oder auch erst in einer Stunde. Henry wurde immer unruhiger und hibbeliger. „Komm, Henry, gehen wir zu meiner Grandma. Sie wohnt hier um die Ecke. Okay?“
Ihre Großmutter schien sich vor Freude gar nicht mehr einzukriegen, als Grace mit Henry kam. Ihr Großmutterinstinkt brach sich sofort Bahn. „Möchtest du einen Kakao? Und Kekse?“
„Grandma!“, ging Grace lachend dazwischen. „Als Erstes muss er auf die Toilette. Anschließend kannst du ihn vollstopfen.“
Henry zog an ihr. Musste das sein? Musste sie wirklich mit ihm auf Toilette? Er wusste doch bestimmt, was er wie zu tun hatte. „Also, hier ist die Toilette“, sagte Grace und führte ihn zu dem kleinen Gäste-WC im Flur. Zum Glück ging Henry allein hinein und schloss die Tür hinter sich. Sie wartete davor. Falls er hineinfällt oder so, dachte sie.
Während sie wartete, klingelte es an der Tür, und Grace sah durch die ovale Scheibe J. C. Erleichtert öffnete sie. „Du hast meine Nachricht bekommen.“
„Ja. Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast. Ich hatte nicht erwartet, dass meine Mutter weggehen würde. Jedenfalls hatte ich nicht so bald schon wieder damit gerechnet.“
Es klang geheimnisvoll, und seine Stimme verriet Sorgen und Stress. Sie wartete, ob er etwas sagte, sich ihr offenbarte, auch wenn sie wusste, dass sie vergeblich wartete.
Was seine Familie anging, hatte er sich nicht geändert. Auch früher hatte er ihr nie Einblick in das Leben der Familie Carson gewährt. Sie hatte sich nur selbst zusammenreimen können, wie sehr er nach der Anerkennung seines Vaters gestrebt hatte. Vergeblich. John Carson hatte selten ein freundliches Wort für irgendjemanden gehabt. Am wenigsten aber für seine Familie.
Als J. C. schwieg, erklärte Grace: „Henry ist auf der Toilette.“
J. C. ging zur Tür des Gäste-WCs und klopfte dagegen. „Henry, bist du fertig?“
Die Tür öffnete sich, und Henry kam mit tropfenden Seifenhänden heraus. J. C. lachte und ging mit ihm zum Waschbecken, um seine Hände abzuspülen. Mit abgetrockneten Händen zeigte Henry zur Küche. „Sie macht mir einen Kakao.“
„Du meinst Grace’ Großmutter?“
„Genau. So wie Mom früher.“
J. C. sah zu Grace, die ihm voller Mitgefühl zunickte. Es brach ihr fast das Herz, wie sehr der kleine Junge leiden musste. Doch auch für J. C. war es sicher ein herber Schlag gewesen, seine geliebte Schwester zu verlieren.
Wenn sie in ihrem Artikel für Henrys Schicksal die richtigen Worte fand, würde es niemanden unberührt lassen.
„Grandma macht den besten Kakao auf der ganzen Welt“, sagte sie zu Henry. „Auf in die Küche, sie lässt dich bestimmt helfen.“
„Oh, ja.“ Er rannte los.
Grace hörte Grandma begeistert rufen und wusste Henry in guten Händen. J. C. wollte Henry folgen, doch Grace legte ihm eine Hand auf den Arm. „Warte kurz. Ich habe noch eine Bitte.“
„Was denn?“
Sie atmete tief ein. „Ich würde gerne ein Porträt von dir und deinem Neffen schreiben. Um meinem eher sachlichen Text eine menschliche Dimension …“
„Nein.“
„Du hast mich noch nicht einmal ausreden lassen.“
„Das muss ich auch nicht. Ich möchte nicht, dass mein Privatleben und das meiner Familie in den Medien ausgebreitet werden.“
„Du glaubst doch nicht etwa, dass ich euer Schicksal ausnutzen will, oder?“
Er sah sie durchdringend an. „Nein, das glaube ich nicht.“
„Dann vertrau mir einfach. Wir könnten Zeit miteinander verbringen, ich erhalte einen Einblick in euer Leben und schreibe dann meinen Artikel. Über einen Onkel, der mit seinem Neffen den Weihnachtszauber genießt.“
„Willst du wirklich die Tragödie meiner Familie dafür nutzen, um deine Karriere voranzubringen?“
Sie schluckte schwer. Die Wahrheit klang brutal aus seinem Mund. „Der Artikel wird auch eine gute Werbung für das Fest sein. Daran bist du doch auch interessiert.“
„Mittlerweile sind schon jede Menge Fernsehteams und andere Reporter hier. Und dazu noch deine Pressemitteilungen und deine Arbeit in den sozialen Medien, das reicht.“
„Ja, aber in diesen Berichten werden nur die Eislaufbahn, der Schneemann-Wettbewerb und die Eisskulpturen auftauchen. Fakten eben. Keine Emotionen.“ Er erwiderte ihr Lächeln nicht. „Und so schön diese Dinge auch sind: Sie berühren die Menschen nicht im
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