Julia Extra Band 372
hinaus, mit Unmengen an Mistelzweigen, unzähligen Tannenbäumen und glitzernden Lichterketten. Alles wunderbar für eine Familie mit Kindern, die ein paar Tage in angenehmer Atmosphäre verbringen wollte. Mehr als Routine schlug ihr aus ihren Notizen nicht entgegen. Damit würde sie ihre Karriere bestimmt nicht in neue Bahnen lenken oder ihren Redakteur davon überzeugen, ihr neue Aufträge zu geben.
Sie brauchte noch etwas anderes. Etwas wie …
Ich möchte den Menschen in Beckett’s Run und auch denen von außerhalb dabei helfen, Weihnachten einfach zu genießen und wieder an den Zauber des Fests zu glauben.
Bei diesem Satz von J. C. blieb sie hängen und dachte an ihn und seinen Neffen. Für Henry besaß das Weihnachtsfest noch den Zauber, den Erwachsene oft nicht mehr spürten.
Hier lag die Story, die die Menschen ansprechen und sie emotional gefangen nehmen würde: der kleine hoffnungsfrohe Junge mit seinen blauen Augen und seinem verletzlichen Lächeln, der in einer Jahreszeit, die der Familie gehört, ohne seine Eltern auskommen musste.
Doch durfte sie das? Henry war J. C.s Neffe, und J. C. würde kaum wollen, dass ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit ausgebreitet wurde.
Aber verdammt, was für eine gute Geschichte war das: das Wintervergnügen aus der Perspektive eines Kindes, bezaubernd und bittersüß? Eine Geschichte, über die die Leute reden würden. Eine Geschichte, mit der man sich einen Namen machen konnte.
Hatte Steve von Im Blickpunkt ihr nicht empfohlen, ihr Herz zu öffnen und weniger reserviert und distanziert zu sein? Und Henry hatte jede Reserve im Sturm überwunden. Er hatte ihr Herz erobert, wie sie sich eingestehen musste.
Sie hatte ihre Geschichte gefunden. Nun musste sie nur noch J. C. davon überzeugen, dass sie Henry nicht einfach ausnutzen wollte. Leider hatte sie seine Handynummer nicht, und er war wohl kaum zu Hause erreichbar.
Grace machte sich rasch fertig, dann fuhr sie in die Stadt und hielt vor der Apotheke von Rick Anderson. Er kannte alle und jeden in Beckett’s Run, war eine Art inoffizielle Nachrichtenzentrale. Wenn ihr jemand bei der Suche nach J. C. helfen konnte, dann er.
Doch als Grace durch die Glastür in den Laden trat, wartete ein Schock auf sie. Am Verkaufstresen stand nicht nur Rick Anderson. Nein, mit dem Rücken zu Grace stand eine ihr nur allzu bekannte Frau mit kurzen blonden Haaren. Meine Mutter? Grace kniff die Augen zusammen. „Mom? Was machst du denn hier?“
Lydia McKinnon drehte sich um. Mit einem Strahlen im Gesicht kam sie auf ihre Tochter zu und schloss sie fest in die Arme. „Mein Gott, Grace! Mary hat schon erzählt, dass du in der Stadt bist.“
Grace löste sich von ihr. „Grandma? Wann hast du mit ihr gesprochen?“
„Heute Morgen. Ich habe sie von unterwegs angerufen. Sie hat mich für morgen Abend zum Dinner eingeladen. Dann können wir alle mal wieder in Ruhe reden.“
So war Grace’ Grandma. Sie würde nie die Hoffnung aufgeben, dass in der Familie alles wieder ins rechte Lot kam. Nur würde Lydia es vermutlich gar nicht bis zum nächsten Abend in der Stadt aushalten, sondern vorher verschwinden. Wie immer. „Ich wusste nicht, dass du kommst.“
„Na ja, geplant hatte ich es nicht. Aber dann habe ich mit Hope und mit Faith gesprochen und …“
„Du hast mit ihnen gesprochen? Wann?“
„Immer mal wieder. Und das würde ich auch mit dir tun, wenn ich nur wüsste, wo ich dich erreichen kann, meine kleine Globetrotterin.“ Lydia lächelte. „Jedenfalls haben mir deine Schwestern von den wunderbaren Entwicklungen in ihrem Leben erzählt, und jetzt wollte ich euch alle unbedingt treffen, um ein paar schöne Tage in eurer Gesellschaft zu verbringen.“
Von welchen wunderbaren Entwicklungen sprach ihre Mutter? Schmerzvoll stellte Grace fest, dass ihre Schwestern ihr nichts davon mitgeteilt hatten. Waren sie sich etwa so fremd geworden?
Im Grunde ist es meine eigene Schuld, überlegte Grace. Hope und Faith hatten sie immer wieder angerufen und ihr E-Mails geschickt, während sie es ständig hinausgeschoben hatte. Stets war die Deadline für einen Text oder der nächste Abflugtermin dazwischengekommen.
„Die beiden kommen hierher“, fuhr Lydia fort. „Weihnachten werden sie da sein.“ Sie schlug aufgeregt die Hände zusammen. „Es freut mich so sehr, dass wir alle ein paar Tage miteinander verbringen können. Es wird wunderbar, Grace.“
„Sehr schön, Mom“, meinte Grace kühl. Sicherlich würde der neueste
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