Julia Extra Band 372
Innersten, dafür müssen sie nicht nach Beckett’s Run kommen. Lass mich die Stadt als einen Ort zeigen, wo es nach jedem Schicksalsschlag einen Neuanfang gibt.“
„Bist du darum hier, Grace? Für einen Neuanfang?“
„Es geht jetzt nicht um mich, sondern um dich und Henry.“
Er schüttelte den Kopf. „Du hast dich nicht geändert. Du kannst dich einfach nicht öffnen.“
„Mein Interesse gilt den Schicksalen der anderen. Mein eigenes ist dabei nebensächlich.“ Sie seufzte. Wie konnte er ihr wegen ihrer Verschlossenheit böse sein, wo er doch nicht anders war? „Also gut, du hast recht. Ich bin für einen Neuanfang hier. Beruflich ist es zuletzt nicht wirklich gut gelaufen. Und ich brauche einfach eine Geschichte, an der mein Herz hängt. Es geht mir nicht nur darum, Werbung für Beckett’s Run zu machen. Es geht auch darum, was ich in Zukunft machen werde. Ich will nicht mehr über irgendein Hotel in irgendeinem Touristenort schreiben.“
Er dachte über das Gesagte nach. „Gut. Ich helfe dir dabei, eine passende Geschichte zu finden. Aber eine, in der mein Neffe nicht vorkommt. Irgendwo wartet bestimmt eine herzerwärmende Geschichte darauf, von uns entdeckt zu werden. Einverstanden?“
Sie sah in seiner Miene den unbedingten Willen, seine Familie zu schützen. Unüberwindbar. „Einverstanden.“ Zufrieden wollte er in die Küche, doch sie hielt ihn noch einmal zurück. „Ich möchte dir als Freundin noch etwas sagen …“
„Sind wir denn Freunde?“
„Das waren wir doch immer, oder nicht?“
„Vor langer Zeit waren wir sogar sehr viel mehr, wenn ich mich richtig erinnere“, sagte J. C. leise.
Grace wurde ganz heiß bei seinen Worten. Bilder eines warmen Sommerabends tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Begleitet von einem sanften Windhauch, der vom offenen Fenster über Grace’ nackte Haut strich, liebkoste J. C. sie am ganzen Körper, seine Finger glitten über sie, und er küsste sie überall. Als er schließlich in sie eindrang, glich es einer Sternenexplosion in ihrem Kopf. So muss es im Paradies sein, dachte sie noch, ehe sie sich ihm ganz hingab.
Eine Erinnerung, mehr nicht.
„Und dennoch waren wir auch Freunde“, sagte sie. Als ließe sich die Zeit zurückdrehen.
Gott, wie sehr sie ihn vermisste. In jeder Hinsicht. Doch J. C. schwebte ein Leben vor, wie sie es niemals führen würde. Ein sesshaftes Leben, mit regelmäßigen Arbeitszeiten und Haus und Garten. Nein, niemals könnte sie das. Doch schon im nächsten Moment, als sie Henry in der Küche lachen hörte, fragte sie sich, ob Wurzeln wirklich etwas so Schlechtes waren.
„Als Freundin jedenfalls wollte ich dir noch sagen, dass ich weiß, welch eine schwere Zeit du durchmachst nach dem Tod von Emily. Mit Henry, aber auch, weil du mit deiner Schwester eine wunderbare Person verloren hast.“
Seine Miene verriet die Trauer, und Grace wünschte, sie könnte ihm über seinen Schmerz hinweghelfen. Wie einfach das Leben früher war. Die Nachmittage am Bach, an denen sie nur ins Wasser geschaut und Salzcracker gegessen hatten.
„Wie kommt deine Mutter damit zurecht?“
„Es geht schon. Nur manchmal scheint sie sich auszustöpseln und zieht sich ganz in sich zurück. Es wird schon besser, aber es dauert sicher noch eine Weile, bis sie es überwunden hat. Solange versuche ich, ihr Halt zu geben.“
„Neben der Firma, die du aus der Ferne leitest, neben Henry und neben dem Wintervergnügen. Du bist zwar stark, J. C., aber ich fürchte, nicht Superman.“
„Manchmal bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt stark bin.“
„Du solltest von den anderen Menschen ein wenig mehr fordern. Sie dürfen sich nicht nur auf dich verlassen. Bitte sie um Hilfe, gib endlich zu, dass du nicht alles alleine machen kannst.“
„Das werde ich nicht.“
„Ich glaube …“
Seine Gesichtszüge wurden hart. „Grace, du weißt nichts über mein Leben, wie es jetzt ist. Also sag mir nicht, was ich machen soll.“ Damit ließ er sie stehen und ging in die Küche.
Sie blieb noch eine Weile im Flur. Er hatte recht. Diesen erwachsenen, ernsthaften J. C. kannte sie nicht. Diesen Milliardär, der sich zum Helden der Stadt aufschwang. Und womöglich hatte sie auch den J. C. damals am Bach nie wirklich gekannt.
Zwei Tage später musste sich J. C. eingestehen, wie gut Grace ihren Job machte. Die Publicitymaschine lief wie geschmiert, einschließlich der sozialen Medien. Ihr Artikel über die beste Schaufensterdekoration war mit so
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