Julia Extra Band 372
leichter Hand geschrieben, dass die Nachrichtenagenturen ihn aufgegriffen hatten. Daraufhin war auch das Interesse an der Suche nach dem schönsten Weihnachtsmann gestiegen, und so hatte eins zum anderen geführt, bis schließlich selbst die Bostoner Fernsehstationen und Zeitungen Korrespondenten nach Beckett’s Run schickten.
Und das Beste war: Grace hatte das alles ohne ihn gemacht, nicht ein einziges Mal hatte sie ihn angerufen und gestört, während er gerade etwas ganz anderes zu tun hatte. So hatte er die Firmenübernahme in Rekordzeit abwickeln können, und sein leitender Geschäftsführer klang so ruhig wie lange nicht.
Und doch hätte J. C. gerne etwas von ihr gehört. Nach der Auseinandersetzung in Mary McKinnons Haus war Grace aufgebrochen, weil sie angeblich noch etwas erledigen musste. Seither hatte er sie nicht mehr gesehen. Immer wieder dachte er an ihre Küsse, an dieses unbeschreibliche Gefühl dabei.
Er würde Grace wohl nie widerstehen können. Auch wenn er wusste, dass sie sich nicht geändert hatte, begehrte er sie unverändert. Sie war immer noch dasselbe Mädchen, das damals vor Problemen einfach davongelaufen war. Er war immer noch derselbe Junge, der sich seinem Schicksal ergeben hatte. Und dennoch wollte er auch jetzt nichts so sehr, wie sie zu küssen und sich der Lust hinzugeben.
Sein Blick fiel auf den Weihnachtszauber, der die Stadt in den letzten Wochen verändert hatte. Es war sein Werk, und er fühlte eine Zufriedenheit, die ihm seine Arbeit in Boston nicht gab. J. C. seufzte und wählte die Nummer seines Büros.
„Unglaublich, wie Sie den Kauf abgewickelt haben, J. C.“, sagte sein Geschäftsführer. „In Rekordzeit. Alle freuen sich jetzt auf die Ferien.“
„Und Sie fahren mit Frau und Kindern nach Cancún?“
Charles antwortete mit gedrückter Stimme: „Das werde ich wohl absagen. Meine Frau ist schon ganz böse, und mehr als ein Paar Socken werde ich dieses Jahr zu Weihnachten kaum bekommen.“
„Sie sollten fahren“, sagte J. C. Charles plante den Urlaub seit Monaten. „Ich habe alles unter Kontrolle.“
„J. C., Sie haben genug um die Ohren. Jemand muss hier in der Stadt …“
„Die Firma wird schon nicht zusammenbrechen, nur weil wir beide nicht im Büro sind.“
„Es wird ihr aber schaden, das wissen Sie. Als wir beide das letzte Mal …“
„Machen Sie sich nicht so viele Sorgen. Fahren Sie einfach in Urlaub.“ Charles wollte J. C. unterbrechen, doch der fuhr fort: „Das ist eine Anweisung. Das Leben ist zu kurz, um immer nur zu arbeiten.“
„Das sagen gerade Sie, wo Sie mehr arbeiten als wir alle zusammen.“
„Es ist Weihnachten. Nehmen Sie es als Geschenk.“
„Also gut. Sie haben meine Frau gerade sehr glücklich gemacht, J. C. Aber wenn wir dann wieder ins Büro kommen …“
„Wird die Arbeit auf uns warten. Schöne Feiertage und lieben Gruß an Ihre Frau.“ Ja, nach den Ferien würde die Arbeit wieder auf sie warten. So wie in all den Jahren, seit J. C. die Firma von seinem Vater übernommen und sie immer größer und profitabler gemacht hatte. Er dachte an den Zukauf, den er gerade unter Dach und Fach gebracht hatte, eine beinahe genauso große Firma wie Carson Investments. Sein Imperium wuchs scheinbar unaufhaltsam.
So hart er auch dafür gearbeitet hatte, fragte er sich manchmal doch, was das alles sollte. Das Leben ist zu kurz, um immer nur zu arbeiten. Seine eigenen Worte gerade, an die er sich selbst jedoch nicht hielt. Die Wochen in Beckett’s Run konnte man beim besten Willen keinen Urlaub nennen. Mit all den Telefonaten und E-Mails unterschieden sich die Tage hier kaum von einem Tag im Bostoner Büro.
Nur ein Tag war anders gewesen, jener, an dem er sich mit Henry und Grace beim Schlittenfahren vergnügt hatte. Wenn doch nur mehr Tage so wären. Er wünschte sich Tage, an denen er sich nur der Musik widmen oder einfach die Sonne genießen könnte. Doch er war es seinen Angestellten schuldig, nicht alles hinzuschmeißen und die Firma zu verkaufen.
Was hatte Grace gesagt? Ich wette, tief in dir steckt noch etwas von einem Rockstar.
Vielleicht. Nur hatte er schon so lange keine Gitarre mehr angefasst, dass er womöglich nicht einmal mehr „Smoke on the Water“ hinbekam. Er hatte seine Gitarre nicht einmal nach Beckett’s Run mitgebracht. Früher war er nirgendwo ohne sie hingegangen. Sein Vater hatte ihn mehr als einmal ermahnt. „Junge, vergiss deine Träumereien von einer Karriere als Musiker. Da kannst du auch
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