Julia Extra Band 372
gleich aufs Arbeitsamt gehen.“
Vielleicht hatte sein Vater recht gehabt. Aber wäre er nicht dennoch glücklicher geworden? J. C. lehnte sich an einen Baum. Der Wind frischte auf und trieb den Schnee vor sich her. Er versank in dem Anblick der wirbelnden Schneeflocken, und in seiner Erinnerung stiegen Henrys helles Lachen und Grace’ neckende Stimme auf.
Endlich wusste er, was er wollte.
8. KAPITEL
Im Park herrschte reges Treiben. Grace hielt Stift und Notizblock parat, außerdem hatte sie ein Aufnahmegerät bei sich, um so viele Kommentare wie möglich einzufangen. Die Leute freuten sich auf den großen Schneemann-Wettbewerb, eines der letzten Ereignisse des Wintervergnügens. Die zwei Dutzend Teilnehmer standen bereit, um in der vorgegebenen Zeit den schönsten Schneemann zu bauen.
Grace sollte sich auf das Geschehen konzentrieren, doch immer wieder schweifte ihr Blick auf der Suche nach J. C. umher. Neben ihr sprang Henry aufgeregt auf und ab. „Kann ich zugucken gehen?“
„Klar.“ Sie ging mit ihm näher heran, und da sah sie J. C. am anderen Ende des Parks, wie er einigen Arbeitern Anweisungen gab. Morgen war Heiligabend, das große Finale des Wintervergnügens, das mit einer Parade starten würde. Die Luft vibrierte schon vor Vorfreude.
Grace jedoch lief die Zeit davon, um ihre Story zu finden. J. C. hatte ihr mehrere Einwohner von Beckett’s Run vorgestellt, lauter Leute mit herzerwärmenden Geschichten. Nur hatte keine von ihnen Grace so gepackt wie Henrys. So schwer es ihr fiel, hatte sie sich an J. C.s Wunsch gehalten und den Kleinen in Ruhe gelassen. Wenngleich der Instinkt ihr sagte, dass sie über Henry schreiben musste. Und was sprach dagegen, sich mit ihm zu unterhalten und ein wenig vorzufühlen? Sehnsüchtig schaute er die Schneemänner an.
„Sollen wir unseren eigenen Schneemann bauen?“, fragte sie.
„Oh, ja. Ich kann gut Schneemänner bauen“, antwortete Henry. „Hat Onkel Jace gesagt. Wir haben nämlich zusammen einen gebaut. Als der Schnee so hoch war.“ Er hielt seine Hand in Brusthöhe. „Einen großen Schneemann.“
„Mal sehen, was wir zustande kriegen.“ Sie ging in die Knie und begann, eine Schneekugel zu rollen. Henry half ihr, und gemeinsam rollten sie die Kugel, bis sie groß genug war. Dann gingen sie an die zweite Kugel, die dritte schließlich ließ Grace ihn ganz alleine machen.
„Darf ich ihm den Kopf auch aufsetzen?“, fragte Henry.
„Aber unbedingt.“ Grace beugte sich herab und hob Henry mitsamt der dritten Kugel hoch, und er setzte sie dem Schneemann vorsichtig auf.
Hand in Hand traten sie ein paar Schritte zurück und bewunderten ihr Werk. Seine Berührung fühlte sich für Grace schon ganz natürlich an. „Meine Mom mochte auch Schneemänner.“
„Habt ihr mal einen gebaut?“
Henry nickte. „Wir haben ihn Earl genannt. Weil er so vornehm aussah.“
Grace lachte. „Das ist ein toller Name für einen Schneemann.“ Sie ging neben ihm in die Knie und formte aus Schnee einen Arm. „Wie war deine Mom?“
„Sie war eine liebe Mom. Sie hat mit mir immer lustige Filme angeguckt.“ Als hätte er nur darauf gewartet, erzählte Henry jetzt ununterbrochen von seiner Mom und seinem Dad. Währenddessen arbeiteten sie an ihrem Schneemann weiter, gaben ihm Arme und Augen. Henry erzählte von den Käsenudeln, die seine Mutter gemacht hatte, und davon, wie sein Vater ihm immer vom Weihnachtsmann erzählt hatte, damit er brav war.
Grace verstand, wie sehr Henry seine Eltern vermisste, und konnte es gut nachfühlen. Sie hatte ihre Eltern zwar nicht verloren, doch vermisst hatte sie sie fast immer. Ihr Vater hatte sich nach der Scheidung nur wenig um sie gekümmert, und ihre Mutter hatte nur ihr eigenes Vergnügen im Kopf. Die schönsten Erinnerungen verband sie mit ihrer Großmutter. Und ihren Schwestern.
Und mit J. C. Carson.
Sie erkannte so vieles von ihm in diesem kleinen Jungen vor ihr wieder, der gerade davon erzählte, später Tierarzt werden zu wollen oder Feuerwehrmann oder auch Zauberer. Die Entschiedenheit, mit der Henry plötzlich beschloss, dass ihr Schneemann Haare brauchte, erinnerte sie ebenfalls an J. C. Sie hob Henry hoch, damit er aus Schnee eine Frisur machen konnte. Anschließend ging er ein paar Schritte zurück, legte ganz wie J. C. seine Hand ans Kinn und betrachtete den Schneemann, um dann mitzuteilen, dass ein Arm zu groß sei.
Während sie mit Henry über Weihnachten, den Weihnachtsmann und Wunder redete, nahm die
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