Julia Extra Band 372
standhalten. Stattdessen sah sie nun seine Lippen … so nah. Sie wusste, wie gut seine Küsse schmeckten. Ein winziger Schritt vorwärts …
Plötzlich spürte sie, wie sich der Druck seiner Hand auf ihrem Arm verstärkte. Hatte sie ihrem Verlangen nachgegeben? Nur einen Millimeter? Bestimmt nicht. Sie blickte auf und las die Antwort in seinen Augen. Ein siegesgewisses Funkeln lag darin, und in den Mundwinkeln deutete sich ein kleines Lächeln an. Er ließ ihre Arme los, wandte sich um und ging die Treppe hinunter.
7. KAPITEL
Jemand drückte auf den Klingelknopf und ließ ihn nicht mehr los. Nur langsam wurde Imogen bewusst, dass es kein Traum war. Sie lag dösend auf dem Sofa und hatte die Seiten der Wochenendzeitung um sich verstreut. Wie benommen wankte sie zur Gegensprechanlage für die Haustür.
„Was ist?“, fragte sie mürrisch. Sie hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan.
„Ich bin’s, Ryan. Komm heraus.“
„Was soll ich da?“
„Wenn du nicht herauskommst, komm ich herein. Und wenn ich erst drin bin, weißt du, was passieren könnte. Ich glaube, hier draußen bist du sicherer.“
Müde lehnte sie die Stirn an die Tür. Verdammt, er war so beharrlich. Sie traute ihm zu, dass er tatsächlich sogar die Tür aufbrechen würde. Er hatte recht. Draußen war das Risiko geringer.
„Gib mir fünf Minuten.“
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits nach dreizehn Uhr war. Wie hatte sie nur den Tag so verschlafen können? Hastig zog sie sich einen Wollpullover an und schlüpfte in ihre Stiefel. Das Haar band sie rasch zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Der Blick in den Spiegel ließ sie zurückschrecken. Aber wer brauchte schon Make-up, wenn es um Ryan ging? Schon der Gedanke an ihn brachte Farbe auf ihre Wangen und ein Blitzen in ihre Augen. Die Lippen waren so rot durchblutet, dass sie keinen Lippenstift mehr benötigte.
Ryan erwartete sie auf dem Fußweg vor dem Haus. Er trug einen roten Rollkragenpullover zu dunkelblauen Jeans. Der Pullover saß wie angegossen und betonte die Muskeln seines athletischen Körpers. Das war ein Geschenkpaket, das sie gern ausgepackt hätte.
„Was willst du von mir?“
„Komm mit auf einen Spaziergang.“
Sie zögerte.
„Nur ein Spaziergang, Imogen. Nichts Gefährliches.“
„Diese vereisten Straßen sind immer gefährlich für mich.“
„Guter Punkt.“ Er schmunzelte. „Dann nehme ich dich besser an die Hand … helfe dir, damit du nicht das Gleichgewicht verlierst.“
Da er ihre Hand bereits ergriffen hatte, während er noch sprach, musste sie wohl oder übel mit ihm gehen.
Es ist doch nur ein Spaziergang, versuchte sie, sich einzureden. Es kann nichts geschehen.
Sie gingen bis zur Princes Street und dort geradewegs in den Park. Das trockene Wetter hatte viele Spaziergänger aus ihren Häusern gelockt. Das Winterwunderland und die Eisbahn waren geöffnet. Sie blieben eine Weile stehen und schauten den Schlittschuhläufern zu. Dann sah er sie herausfordernd von der Seite an.
Imogen schüttelte den Kopf. Sie wusste genau, was er dachte.
„Na komm! Was hast du schon zu verlieren?“
„Einen Knöchel? Eine Kniescheibe?“ Ihre Würde? Sie hatte seit Jahren nicht auf Schlittschuhen gestanden und wollte sich nicht blamieren. Schon gar nicht vor Ryans Augen.
„Es macht bestimmt Spaß.“
Er ließ alles immer so einfach erscheinen. Widerstrebend gab sie seinem Drängen nach. Während sie mit kalten Fingern ihre gemieteten Schlittschuhe schnürte, zerrte das Kratzen der Kufen auf dem Eis an ihren Nerven.
Ryan hatte seine Schlittschuhe bereits angezogen und hielt sich problemlos auf den schmalen Kufen. Er schien das schon tausendfach gemacht zu haben. Imogen ließ ihn vorgehen, damit er nicht mitbekam, wie wackelig sie auf den Kufen stand.
Sie hielt sich am Geländer fest und sah ihm kläglich nach, als er elegant auf die Eisfläche hinausglitt. Beeindruckt verfolgte sie seine Bewegungen. Er musste ein Profi sein.
Er kam zu ihr zurück und bot ihr seine Hand. „Komm, ich helfe dir.“
„Du musst Eiskunstläufer gewesen sein“, stellte sie fest, als er sie zu sich aufs Eis zog. „Du hast bestimmt ein schickes Trikot getragen und bist dreifache Axel gesprungen oder so.“ Sie hatte früher manchmal Eiskunstlaufen im Fernsehen gesehen und erkannte einen Könner, wenn sie ihn sah.
Er lachte. „Eishockey.“
Na toll! Aggression auf dem Eis. „Ist das nicht ziemlich gewalttätig?“
„Es ist herausfordernd.“ Er lachte immer
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