Julia Extra Band 372
streicheln. „Du bist jetzt in Sicherheit. Es ist alles gut!“
Die Schaukel im hinteren Teil des Gartens stand inmitten von Apfelbäumen, die voller unreifer Früchte hingen. Zahllose Zikaden sangen in der Mittagssonne, und das Unkraut in dem übergroßen und vernachlässigten Gemüsegarten wurde höchstens von einigen schwarzweiß gefleckten Hühnern gezupft.
„Regel Nummer eins: Friss keine Hühner“, warnte Jill den Hund.
Eine große rotgelbe Katze beäugte misstrauisch den Neuankömmling von ihrem sonnigen Liegeplatz oben an der Treppe.
„Regel Nummer zwei“, flüsterte Jill. „Sei nett zu Marmalade.“
Die Fliegengittertür der Küche fiel hinter ihnen zu.
„Hi, Mum!“, rief Jill. „Ich sterbe vor Hunger! Was gibt’s zum Mittagessen?“
Keine Antwort, aber das war nicht allzu ungewöhnlich. Als Frau des langjährigen Arztes der kleinen Gemeinde hatte Hope Metcalf immer genug zu tun. Besonders jetzt, so kurz vor Weihnachten. Auch Jills Vater war nirgendwo zu sehen. Er musste heute Vormittag mehrere Hausbesuche machen, und bei dem großen Gebiet, das er mit seiner Praxis betreute, konnte das lange dauern.
„Kein Problem“, meinte Jill zu dem Hund. „Dann essen wir eben einfach ein Sandwich. Warte nur, bis du Mums Schinken probiert hast. Der ist fantastisch.“
Aufmerksam stellte der Hund die Ohren auf, und in den großen braunen Augen lag ein Ausdruck, bei dem sich Jills Herz zusammenkrampfte. Sie beugte sich herunter und streichelte den Hund erneut. „Du bist ein Schatz, stimmt’s? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dich wirklich jemand ausgesetzt hat. Wer würde so was denn tun?“ Seufzend richtete sie sich wieder auf.
Diese Gemeinde, das Haus und ihre Familie waren ihr Fels in der Brandung. Vertraut, vorhersehbar und sicher. Selbst tausend Meilen weit weg in Auckland empfand sie diese Gewissheit. Vor zwei Jahren, als ihre Ehe zerbrach, hatte Jill all das schrecklich vermisst.
Ja, sie hatte einen Fehler gemacht. Aber dennoch war sie überzeugt davon, dass die Art von Beziehung, die sie sich wünschte, tatsächlich existierte. Eines Tages würde sie sie finden. Beim nächsten Mal musste sie nur ein bisschen vorsichtiger sein.
Genau an dem Tag, als sie gepackt hatte, um zum ersten Mal seit dem Beginn ihres Medizinstudiums für längere Zeit hierher zurückzukommen, hatte sie ihre Scheidungspapiere erhalten. Auf dem Weg in ein neues Leben war es ihr an diesem Tag endlich gelungen, ihren Ehering abzustreifen und zurückzulassen.
Das Durcheinander auf dem großen Kauri-Holztisch in der geräumigen Küche war tröstlich und vertraut. Zeitungen, Rechnungen. Eine Zuckerdose und ein Salzstreuer in Form eines Schweins, die Jill beide als Zehnjährige aus Ton geformt hatte. Obwohl sie wackelten und die Glasur fleckig war, hielt ihre Mutter sie in Ehren. So standen sie nun schon seit fast zwanzig Jahren auf dem Tisch.
Das Chaos auf der Arbeitsplatte wirkte dagegen beunruhigend. Normalerweise würde ihre Mutter das Haus niemals verlassen, ohne die Küche aufgeräumt zu haben. Es sei denn, irgendetwas Unvorhergesehenes war passiert.
In diesem Augenblick hörte Jill die Fliegentür. Sie drehte sich um und sah ihren Vater.
„Wo ist Mum?“
„Ist sie nicht hier?“
„Nein.“
James Metcalf zog die Brauen zusammen. „Aber sie weiß, wann die Sprechstunde anfängt. Ich habe nur eine halbe Stunde Zeit zum Mittagessen.“
„Anscheinend hatte sie es eilig. Es sieht ihr gar nicht ähnlich, schmutziges Geschirr so stehen zu lassen.“
Jim schaute auf die Unordnung, dann senkte er den Blick. „Du liebe Zeit, was ist das denn?“
„Ein Hund.“ Jill kraulte das Tier, das sich ängstlich an ihre Knie drückte. „Ein Streuner.“
„Sieht aus wie eine Fußmatte mit Beinen. Schick ihn raus.“
Jill ignorierte die Bemerkung. „Mum hat gar nichts davon gesagt, dass sie heute früh weg muss. Wieso hat sie keinen Zettel geschrieben? Hoffentlich ist Tante Faith nicht krank.“
„Das bezweifle ich. Wenn ich mit dreiundneunzig halb so fit bin wie sie, kann ich mich glücklich schätzen.“ Noch immer sah Jim den Hund an. „Der stinkt. Wozu müsst ihr ständig irgendwelche Straßenkinder oder Streuner mitbringen? Du bist genau wie deine Mutter.“
Sein heftiger Ton überraschte Jill. Hatte Maisie recht, dass Jill ihre Eltern früher wahnsinnig gemacht hatte mit all ihren „geretteten“ Tieren?
„Ich bade ihn“, erwiderte sie.
Jim brummte: „Ich nehme an, du hast ihm schon einen Namen
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