Julia Extra Band 372
weiblichen Stimmen begleitete.
An einer Seite hatte Jack sich mit der Kamera aufgestellt und betrachtete ebenso fasziniert den Schimmer des Kerzenscheins auf Jills goldblonden Locken. Noch immer vermied sie es geflissentlich, ihn anzusehen.
Das Bild des Weihnachtsengels, das er von ihr gehabt hatte, hatte sich nach ihrem Ausbruch vorhin schnell verändert. Diese Frau konnte auch stur und intolerant sein. Wieso hatte er gedacht, sie würde ihn verstehen, wenn er ihr von sich erzählte? Wie gut, dass er es nicht getan hatte. Es war falsch gewesen zu glauben, dass Jill die Antwort auf alle seine Fragen darstellte.
Das war sein Problem. Damit musste er selbst in seinem eigenen Tempo und auf seine Art fertig werden.
Weshalb machte es ihm dann so viel aus, wenn Jill eine schlechte Meinung von ihm hatte? Warum war er geblieben, um diese verdammten Kalenderfotos zu machen?
Der Knoten in seinem Magen war Wut. Der vertraute Groll darüber, dass niemand sich je die Mühe machen würde, ihn wirklich kennenzulernen. Oder er jemals irgendjemandem etwas bedeuten würde.
Doch eigentlich hielt ihn vor allem zurück, dass es einen anderen Menschen gab, der sich vielleicht auch so fühlen könnte. Ein neunjähriger Junge, der sich dank des Paralleluniversums an diesem Ort allmählich aus seinem Schneckenhaus heraustraute.
Jack wollte ihn nicht im Stich lassen. Nicht heute, an Heiligabend. Nicht mitten in dem Zauber von Kerzenschein, Musik und Päckchen, die plötzlich auf mysteriöse Weise unter dem glitzernden großen Weihnachtsbaum lagen.
Es stimmte nicht, dass Jack nichts zu geben hatte. Er konnte mit Jarred sprechen. Ihm sagen, was für ein toller Junge er war und wie wichtig er in den nächsten Jahren für seine Geschwister sein würde. Ihm etwas geben, woran er sich in den harten Zeiten halten konnte, die ihm mit Sicherheit nicht erspart blieben.
Denn die Dinge würden wieder besser werden. Auch für Jack. Das alles hier mochte vielleicht nur eine Illusion sein, aber es hatte ihm gezeigt, dass er wieder imstande war, etwas zu empfinden. Jarred war ihm wichtig. Und wenn er eine Chance gehabt hätte, wäre auch Jill ihm wichtig gewesen.
Viel zu sehr.
Es hatte nicht sein sollen, doch es war möglich. Irgendwann. Mit irgendjemand anderem.
Jack hatte Hoffnung geschenkt bekommen, die er auch gerne an Jarred weitergeben wollte. Er wusste, wie wertvoll dieses Geschenk sein konnte.
Das Weihnachtssingen endete um neun Uhr abends. Recht spät für die drei kleineren Kinder, die im Korridor zuhören durften, weit genug von der Krankenstation der älteren Patienten entfernt.
Nat war an Elises Schulter eingeschlafen. Ein Zeichen dafür, dass es ihm nicht mehr so schlecht ging wie am Morgen. Er hatte auch eine bessere Gesichtsfarbe, wie Jill befriedigt feststellte.
Als Maisie Jill aus der Krankenstation kommen sah, sagte sie zu Elise: „Bring du die Kinder zu Bett. Ich komme dann nachher mit heißer Schokolade, wenn der Chor zu Abend gegessen hat.“
Jarred blieb zurück und wartete, bis Jill ihr Telefongespräch beendete, das sie auf dem Handy angenommen hatte.
„Darf ich Bella noch gute Nacht sagen?“, fragte er dann. „Bitte.“
„Tut mir leid. Ich muss noch einmal wegfahren“, lehnte sie bedauernd ab.
„Was ist los?“ Jim unterbrach sein Gespräch mit Wally.
„Das war Sue“, antwortete Jill. „Sie möchte, dass ich komme.“
„Oh.“ Alle Gespräche um sie herum hörten unvermittelt auf.
„Ich komme besser auch mit“, meinte Jim niedergeschlagen.
„Armes kleines Ding“, sagte jemand traurig. „Ich habe wirklich gehofft, dass sie bis zum Weihnachtstag durchhält.“
Jill schluckte schwer und drückte ihrem Vater den Arm. „Das brauchst du nicht.“
Schweigend machten ihr die Leute Platz.
Hinter sich hörte sie Jarred verwirrt, aber mit tapferer Stimme sagen: „Ich kann doch auch alleine hingehen. Ich weiß, wo der Schuppen ist.“
„Schon gut, Kumpel“, meinte Jack. „Ich komme mit. Ich könnte nämlich auch ein bisschen frische Luft vertragen.“
Jarred war längst schlafen gegangen. Nach einem Spaziergang mit Bella und einem langen Gespräch mit dem Jungen saß Jack noch immer in dem dunklen, stillen Garten. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es bereits nach Mitternacht war.
Weihnachten, und er befand sich hier, ausgerechnet in einem Krankenhaus. In ihm waren Gefühle erwacht, die er nie erwartet hätte.
Fürsorge für Jarred. Mitgefühl. Und eine unglaubliche Erleichterung, dass er
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