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Julia Extra Band 372

Julia Extra Band 372

Titel: Julia Extra Band 372 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meier , Shirley Jump , Natalie Anderson
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beteiligt.“
    Er entzog ihr seine Hand. „Wenn nichts schiefgeht, ist das einfach.“
    Jill dachte kurz darüber nach. Um sie herum die friedliche Wärme einer Sommernacht, während sie so zusammensaßen, die Stille nur gelegentlich unterbrochen durch das Quaken der Frösche oder das Rascheln eines Igels im Gras.
    „Was ist bei dir schiefgegangen?“, fragte sie dann leise.
    Jack seufzte. „Vieles. Zu viele schlimme Fälle. Ich habe Dinge erlebt, die nicht hätten passieren dürfen. Und ich habe mich dafür verantwortlich gefühlt.“
    „Zum Beispiel?“
    „Zum Beispiel der Mann, der an chronischen Rückenschmerzen litt und es noch schlimmer gemacht hat, indem er versuchte, einen Baumstumpf aus seinem Rasen auszugraben. Es sah aus wie ein unkomplizierter Fall. Ich habe seine Krankengeschichte aufgenommen, ihm ein Schmerzmittel gegeben, ein Röntgenbild und ein CT veranlasst.“
    „Hätte ich auch getan“, antwortete sie.
    „Aber wie wäre dir zumute gewesen, wenn er eine Stunde später an einem unerkannten Aortenaneurysma gestorben wäre?“
    Jill musste schlucken. „Schrecklich, natürlich. Aber so etwas passiert manchmal, Jack. Selbst wenn du es gewusst hättest, wäre er vielleicht trotzdem gestorben.“
    „Ich weiß. Und wenn ein Hausarzt einen kleinen Jungen nicht mit Ohrenschmerzen wieder nach Hause geschickt hätte, wäre es womöglich trotzdem zu spät gewesen. Aber ich habe ihn ein paar Stunden danach in der Notaufnahme gehabt. Ins Koma gefallen wegen einer Meningitis. Er starb, bevor wir ihn auf die Intensivstation bringen konnten.“
    „Für solche Fälle kannst du dich nicht verantwortlich fühlen. Daran würde jeder zerbrechen.“
    „Ich weiß, und ich habe gelernt, mich besser zu distanzieren. In meinem Chef hatte ich ein super Vorbild. Er war einer jener Ärzte, von denen du gesprochen hast. Die, denen alles egal ist und für die die Medizin lediglich ein Job ist. Ich dachte, das wäre der richtige Weg. Die Art, wie alle anderen damit umgehen.“
    „Nein“, sagte Jill leise. „Nicht solche Ärzte wie mein Dad.“
    „Oder du.“
    „Und ich nehme an, bei dir hat es auch nicht funktioniert, oder?“
    Jack schnaubte ironisch. „Nein.“
    „Was ist dann passiert? Weshalb hast du deinen Beruf letztendlich aufgegeben?“
    „Ein fünfjähriger Junge, der von einem Lastwagen gestreift wurde, als er auf einen Zebrastreifen hinauslief. Polytrauma. Seine Mutter war so hysterisch, dass wir sie rausschicken mussten.“
    Jack beugte sich vor, den Kopf in die Hände gestützt. „Wir haben alles versucht. Wir wollten ihn intubieren, um ihm Sauerstoff zu geben. Aber die Luftwege waren blockiert. Ich holte meinen Chef dazu und sagte ihm, dass ich wegen eines möglichen Kehlkopftraumas beunruhigt wäre. Und ob wir nicht einen Anästhesisten für einen Luftröhrenschnitt rufen sollten. Er meinte nur, wir sollten einem Kind kein Loch in den Hals schneiden, wenn es nicht absolut notwendig wäre.“
    Jill hielt den Atem an.
    „Als auch der zweite Intubationsversuch fehlschlug, verschlechterte sich der Zustand des Jungen“, fuhr Jack bitter fort. „Schließlich zuckte mein Chef gelangweilt die Achseln und ließ sich die Instrumente für einen Schnitt geben. Aber es war zu spät. Ich wusste es. Herzstillstand. Ich versuchte verzweifelt, den Jungen mit Herzdruckmassage zu reanimieren.“
    „Wie furchtbar.“
    Jack blickte auf. „Weißt du, was das Schlimmste war?“
    „Was?“
    „Während der Herzdruckmassage habe ich nach unten geschaut, und der Junge hatte ein Pflaster auf dem Knie. Ein Kinderpflaster mit Figuren drauf. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass jemand diesen Jungen liebte, sich um ihn kümmerte. Ich dachte an all die aufgeschürften Knie, die ich gehabt hatte, und auf die nie jemand ein Pflaster geklebt hatte.“
    Jill war schockiert. Hier ging es nicht nur um einen Mann, der den Druck als Arzt nicht mehr ausgehalten hatte, sondern um jemanden, der in seinem ganzen Leben noch nie richtig geliebt worden war.
    Dieser gequälte Ausdruck in seinem Gesicht, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war also keine Einbildung gewesen. Jill merkte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Schmerzhaft und heftig.
    „Vierzig Minuten lang haben wir noch versucht, den Jungen wiederzubeleben“, erzählte Jack weiter. „Dann stellte mein Chef die Todeszeit fest und meinte zu mir: Gehen Sie und informieren Sie die Mutter.“
    „Oh nein“, flüsterte sie entsetzt.
    „Ich hab’s getan“, sagte er

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