Julia Extra Band 373
am Empfang noch im Großraumbüro. Dafür, dass sie hier praktisch als Mädchen für alles angestellt war, sah man ausgesprochen wenig von ihr. Nicht, dass er sie unbedingt sehen wollte – aber langsam wunderte er sich, wo sie sich versteckt hielt. Ihre letzte Begegnung musste mindestens eine Woche zurückliegen.
„Arbeitet Ava Fitzgerald eigentlich noch hier?“, erkundigte er sich bei seiner Assistentin.
„Da bin ich überfragt.“
„Finden Sie es heraus!“
Ava kannte sich im Keller inzwischen gut aus. Eine Woche lang hatte sie kartonweise Dokumente abgelegt. Als sie fertig war, hatte Karen sie in ein brandneues, kompliziertes Ablagesystem eingeführt, und für Ava ging die Arbeit von vorn los.
Beim Geräusch der Fahrstuhltür überkam Ava eine Ahnung. Lange ließ der Besucher nicht auf sich warten.
„Da du nicht zum Mittagessen gehst, habe ich dir etwas mitgebracht“, sagte eine vertraute Stimme.
Ava stöhnte unterdrückt, ordnete das Dokument ein, das sie gerade in der Hand hielt, drehte sich um und strich sich automatisch den Rock glatt. Vor ihr stand Pete Langford. Er war mittelgroß, schlank und musterte sie mit einem Blick, bei dem sie sich instinktiv beschmutzt fühlte. Seit einigen Tagen tauchte er hier unten auf, um sich mit ihr zu unterhalten. Avas deutliches Desinteresse konnte ihn offensichtlich nicht abschrecken. Jetzt legte er ein Panini auf einen leeren Tisch, stellte einen Softdrink dazu und lehnte sich an die Tischkante.
„Mach mal Pause, Ava!“
„Du hättest mir die Sachen nicht kaufen sollen.“ Leider knurrte ihr in diesem Moment der Magen. Ihre kargen Mittel reichten nicht fürs Mittagessen. „Ich kann sie nicht annehmen. Außerdem muss ich jetzt Einkäufe erledigen.“
„Darum kannst du dich nach Feierabend kümmern. Jetzt bin ich ja hier.“
Sollte sie seinetwegen etwa alles stehen und liegen lassen? Das könnte ihm so passen. Ava dachte gar nicht daran, sich vorschreiben zu lassen, was sie in der Mittagspause machte. Schon gar nicht von diesem Pete, der sich für unwiderstehlich hielt und vermutlich bald zudringlich wurde. Eine Kollegin hatte sie bereits gewarnt, dass er sich immer an neue Mitarbeiterinnen heranmachte. „Ich mache oben Pause“, entgegnete sie schroff.
Pete seufzte ungeduldig. „Wieso denn?“
„Weil ich lieber meine Ruhe haben möchte.“
„Bist du etwa lesbisch?“ Er musterte sie misstrauisch. „Immerhin warst du länger im Gefängnis. Da hattest du ja keine Wahl.“
Ava wurde blass. „Wer hat dir erzählt, dass ich im Gefängnis war?“
„Sollte das geheim bleiben? Alle hier wissen Bescheid.“
„Ich rede nicht darüber“, antwortete Ava kühl. Sie war schockiert, dass ihre Vergangenheit offensichtlich ein offenes Geheimnis war. Jetzt wurde ihr auch klar, warum einige Kollegen sie schnitten. Es verletzte Ava zutiefst, im Mittelpunkt gehässiger Spekulationen zu stehen. Wieder einmal war sie die Außenseiterin.
„Woher haben Sie das?“, fragte eine zweite Männerstimme barsch. „Das sollte doch vertraulich behandelt werden.“
Erstaunt blickte Ava Vito an. Sie hatte den Lift gar nicht gehört. Vito musste die Kellertreppe benutzt haben. Jedenfalls stand er jetzt an der Tür und wartete ungeduldig auf Petes Antwort.
Er hatte seine Bemerkung über Avas mögliche sexuelle Neigung gehört und konnte seinen Zorn kaum zügeln. Vito wunderte sich selbst über diese heftige Reaktion. Machte es ihn etwa eifersüchtig, Ava mit einem anderen Mann zu sehen? Oder mischte er sich als Arbeitgeber ein, der seine Angestellte vor sexueller Belästigung schützen wollte? Allerdings machte Ava durchaus den Eindruck, als könnte sie sich selbst wehren. Ihre Augen blitzten zornig, ihr schlanker, aber kurviger Körper kam im schwarzen Bleistiftrock und roter Bluse wunderbar zur Geltung. Unwillkürlich tauchte ein anderes Bild vor Vitos geistigem Auge auf: die elfengleiche Ava in Spitzenkorsage, schwarzem Ledermini und klobigen Stiefeln. Verblüfft blinzelte er und riss sich zusammen. Zu spät. Die erotische Fantasie hatte ihn heftig erregt.
Pete Langford hatte sich erschrocken zu seinem Boss umgedreht und behauptete kleinlaut: „Ich weiß nicht, wer zuerst von Avas Vergangenheit angefangen hat. Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss wieder an die Arbeit.“
„Gute Idee.“ Bedrohlich musterte er den Angestellten.
Als der Fahrstuhl Pete wieder nach oben beförderte, runzelte Ava fragend die Stirn. „Was sollte das denn?“
„Wie lange
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