Julia Extra Band 373
Helikopterflüge gewöhnt. Trotzdem würde diese Reise anders sein. Es begann schon damit, dass keine Gefolgschaft mitreiste, nicht einmal Patel, der seinen König sonst immer begleitete. Und dieses Mal war Amy sogar fast bereit, Emir die Schweigsamkeit zu vergeben, schließlich hätte er diese Reise mit seiner Frau machen sollen. Vielleicht war er einfach nur nachdenklich?
Aber Emir beschäftigte etwas viel Aufwühlenderes. Voller Abscheu blickte er durch die Scheiben auf die Wüste hinunter und erinnerte sich an die Rebellen, die einst hier durchgezogen waren. Männer, die nicht hatten warten wollen, bis die Prophezeiung sich erfüllte, sondern das Schicksal lieber in die eigenen blutigen Hände genommen hatten.
„Es ist wunderschön.“ Amy sagte es mehr zu sich selbst, doch Emir antwortete.
„Aus der Ferne“, murmelte er. „Doch je näher man kommt …“
Mehr sagte er nicht, starrte nur wieder grüblerisch hinaus. Er sah die Schlachtenszenen vor sich, hörte das Donnern der Hufe in seinem Kopf, die Schreie der Opfer. Und über all dem hörte er dennoch ihre Stimme, hörte, wie Amy seinen Töchtern vorlas, hörte die Mädchen begeistert lachen. Er wollte sich ganz auf diesen Laut konzentrieren, wollte den Schmerz der Vergangenheit hinter sich lassen. Doch als König hatte er geschworen, sich zu erinnern.
Die Hitze traf Amy, sobald sie aus dem Helikopter ausstieg. Emir hielt Nakia auf dem Arm, während sie Clemira trug. Die kurze Strecke zum Lager zu laufen war Schwerstarbeit, in dem weichen Sand kostete jeder Schritt Anstrengung. Sobald sie im Zelt angekommen waren, zog Amy ihre Schuhe aus und schlüpfte in Pantoffeln, so wie Emir es ihr empfohlen hatte. Sie dankte dem Piloten, der ihren Koffer getragen hatte, dann führte Emir sie auch schon durch das Zelt und erklärte ihr, wie es weitergehen würde.
„Die Mädchen werden erst ruhen, bevor wir sie zu den Beduinen bringen. Ihr Zeltbereich liegt direkt neben Ihrem.“
Die verschiedenen Abteile waren abgetrennt durch farbenfrohe Vorhänge und der sandige Boden mit erlesenen Teppichen bedeckt. Das ganze Zelt erschien Amy wie ein riesiges Labyrinth.
„Erfrischungen werden hier aufbewahrt“, erklärte er ihr. „Aber die Zwillinge erhalten nichts davon. Heute werden sie nur essen und trinken, was die Wüste hervorbringt.“
Amy hatte nur mit halbem Ohr zugehört, denn das Donnern der Hubschrauberrotoren draußen wurde lauter. „Er hat vergessen, die Koffer der Zwillinge zu bringen! Sie müssen ihn aufhalten. Wir brauchen die Sachen!“
„Nein, sie brauchen die Sachen nicht. Sie sind heute hier, um in die Wüstenweisen eingeweiht zu werden. Alles, was nötig ist, gibt es hier.“
Das Donnern entfernte sich immer weiter. „Emir … ich meine, Hoheit. Ich rede nicht von Spielzeug, sondern von ihren Fläschchen, vom Milchpulver …“
„Sie werden Wasser aus einem Becher trinken“, sagte er nur.
Amy traute ihren Ohren nicht. „Das können Sie nicht tun! Das ist doch viel zu schroff!“
„Schroff?“, wiederholte er. „Dieses Land ist schroff. Es ist grausam und unnachgiebig, und doch haben die Menschen gelernt, darin zu leben. Die Mitglieder der königlichen Familie führen ein privilegiertes Leben. Da wird erwartet, dass sie sich zumindest einmal im Jahr den alten Wüstenweisen unterwerfen.“
Fassungslos fragte sie sich, wo der fürsorgliche Vater geblieben war. Wo war der Mann, der seine winzigen Töchter im Arm gewiegt hatte? Der noch gestern Nacht sein schlafendes Kind in seinen starken Armen gehalten hatte? Vielleicht hatte sie das wirklich alles nur geträumt, denn jetzt stand er reglos da, während die Zwillinge die Spannung spürten und zu weinen begannen.
„Wir ziehen bald weiter“, sagte er.
„Es ist die Zeit für ihren Mittagsschlaf.“ Amy rechnete mit erneutem Widerspruch, doch er nickte nur.
„Dann ziehen wir los, wenn sie aufwachen.“
„Ist hier jemand, der mir zeigen kann, wie hier alles funktioniert?“
„Nur wir sind hier.“
„Nur wir?“ Amy blinzelte.
„Da ist noch der Mann, der sich um die Tiere kümmert. Aber hier draußen sind wir auf uns allein gestellt.“
Sicher, das hatte man ihr schon gesagt, aber sie hatte angenommen, sie wären „allein“ nach dem üblichen königlichen Standards, also mit einer ganzen Dienerschaft. Und plötzlich grauste ihr vor der Weite und Einsamkeit der Wüste. „Und wenn etwas passiert? Wenn eines der Mädchen krank wird?“
„Die Beduinen vertrauen mir, dass ich
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