Julia Extra Band 373
unerwartet gekommen.
Tief atmete sie die warme, trockene Luft ein, nahm die Schönheit der Landschaft in sich auf, und zum ersten Mal seit Langem vergaß sie Ärger und Zweifel und kostete nur den Moment aus. Sie lauschte auf das Plappern und Lachen der Babys, während Emir mit ihnen redete. Es war viel besser, einfach den Augenblick zu genießen, als sich mit Gedanken zu martern, wohin diese Reise führen würde.
„Es ist wunderschön. So friedlich.“
„Nur, wenn sie will“, meinte er rätselhaft. „Lassen Sie sich von der Wüste nicht verlocken. Mein Vater sagte immer, die Wüste ist wie eine schöne Frau. Ihre Schönheit überwältigt dich und lullt dich ein, aber sie hat immer Hintergedanken.“
„Was ist mit Ihrem Vater passiert?“
„Er wurde getötet.“ Emir zeigte mit dem Arm in die Ferne. „Dort drüben.“
Trotz der Hitze erschauerte sie. „Und Ihre Mutter?“
Er antwortete nicht.
„Emir?“
„Das sind keine Geschichten für Ihre erste Nacht in der Wüste.“ Er änderte das Thema. „Wir sind bald da.“ Er zeigte auf einen Schemen am Horizont. „Sehen Sie es?“
„Nicht wirklich.“ Doch je näher sie kamen, desto deutlicher konnte sie die hohen Palmen und das Grün der Büsche erkennen. „Wie geht es jetzt weiter?“
„Wir werden zu Mittag essen und auf die Ankunft der Wüstenbewohner warten.“ Er sah auf die beiden Babys an seiner Brust. Das rhythmische Schaukeln auf dem Pferderücken hatte sie in den Schlaf gewiegt. Er wollte sie niemandem überlassen. Er hasste so vieles an den Gebräuchen seines Landes.
„Die Mädchen haben Sie vermisst.“
Er hörte Amys Worte, doch er reagierte nicht darauf. Er hatte seine Töchter auch vermisst, nur konnte er Amy die Gründe dafür nicht wissen lassen.
Oder vielleicht doch?
Nachdenklich sah er zu ihr hinüber. Sie saß jetzt mutiger auf dem Pferderücken und ritt sogar vor ihm, die Augen auf die Oase gerichtet. Der Schal war ihr vom Haar gerutscht, das im leichten Wind um ihre Schultern flatterte, und die Anziehungskraft, die er verspürte, manifestierte sich. Noch vor wenigen Generationen wäre es undenkbar gewesen, doch die Dinge hatten sich geändert. Rakhal hatte schließlich auch eine englische Frau. Vielleicht gab es ja einen Weg …
Die Pferde trabten jetzt. Emir runzelte die Stirn. Für jemanden, der behauptete, Angst vor Pferden zu haben, hielt Amy sich erstaunlich gut. Nicht nur das, sie sah aus wie jemand, der schon seit Jahren ritt. Ein Bild schob sich vor sein geistiges Auge – er und sie, wie sie durch die Wüste ritten, zusammen mit Clemira und Nakia und den eigenen Kindern …
Er durfte keine übereilte Entscheidung treffen. Und ganz bestimmt durfte er sie nicht drängen.
In diesem Moment drehte sie den Kopf und lächelte ihm zu. Ihre Wangen waren vor Aufregung erhitzt, ihre Augen leuchteten. Diesen Ausdruck wollte Emir öfter auf ihrer Miene sehen. Die Geduld vergessen, spornte er sein Pferd an und schloss zu ihr auf. Er wollte sie wild und frei erleben – auch in seinem Bett. Heute – heute Nacht – würde er sie überzeugen. Und als sie Seite an Seite wieder in einen langsameren Schritt verfielen, da erkannte er, dass unter seinem Blick das Rot auf ihren Wangen dunkler geworden war.
Sie begehrte ihn auch.
Und still dankte er der Wüste, die ihm eine so simple Lösung aufgezeigt hatte.
Vielleicht konnten sein Reich und seine Familie ja doch bestehen bleiben.
4. KAPITEL
„La“ , schalt Emir, als Nakia das Obst ausspuckte, mit dem er sie fütterte. „Ich meine Nein .“ Schnell war ihm bewusst geworden, dass die Zwillinge eher Englisch verstanden. „Sie macht ihre Schwester nach.“
Amy konnte nicht anders, sie lachte. Sie saßen hier mitten in der Wüste, fütterten die Babys mit Früchten, die sie von den Büschen in der Oase gepflückt hatten – oder besser, versuchten sie damit zu füttern, denn vor einer Minute noch hatte Clemira das Gesichtchen verzogen und das Stück Frucht angewidert ausgespuckt.
„Sie wissen überhaupt nichts von unseren Traditionen.“
Nein, die beiden waren eindeutig moderne kleine Prinzessinnen, klatschten lieber zu den Kinderliedern der DVD, die Amy aus England mitgebracht hatte, und schauten sich bunte Bilder an, oder planschten im warmen Pool des Palastes, als hier in der Wüsteneinöde zu warten.
„Hannah hatte sich deshalb Sorgen gemacht“, fuhr er fort. „Sie wollte nicht, dass die Kinder fasten müssen.“
„Das ist kein Fasten.“ Amy blieb
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