Julia Extra Band 373
herunterlächelte, war er der Mann, den Amy von früher kannte.
Kaum dass sie das Zelt umrundet hatten, verdüsterte sich Amys Laune jedoch, denn sie vernahm Pferdegewieher – ein Laut, den sie früher gerne gehört hatte, der sie heute aber nur mit Panik erfüllte.
„Pferde?“ Sie sah zu den Tieren hin. „Reiten wir etwa zur Oase?“
„Ja, natürlich.“ Er reichte ihr Clemira, ohne die Panik in ihrer Stimme zu bemerken.
„Hoheit …“
„Emir“, forderte er sie auf.
„Emir … ich dachte, wir würden fahren.“
„Fahren?“ Er lachte auf. „Sie haben wirklich keine Ahnung, worum es hier geht.“
„Ich kann einfach nicht reiten“, sagte sie.
„Dann laufen Sie eben“, gab er ungerührt zurück. „Wenn Sie erst eine Weile neben dem Pferd hergelaufen sind, werden Sie sicher bald einsehen, dass Sie nicht zu gut dafür sind.“
„Das ist es nicht!“ Er konnte manchmal so arrogant sein! Aber sie würde ihm ganz sicherlich nicht von ihrem Unfall erzählen. Sie brauchte auch keine Ratschläge darüber, dass es besser war, nach einem Sturz gleich wieder aufzusteigen, brauchte keine verächtlichen Kommentare – und noch weniger brauchte sie neugierige Fragen. „Ich habe Angst vor Pferden.“
Er zuckte nur mit den Schultern. „Dann reite ich allein. Helfen Sie mir, die Zwillinge zu sichern.“
Sie befürchtete, die Mädchen würden sich sträuben und strampeln, doch sie kicherten glücklich, als sie in ihren Schals eng an Emirs Brust lagen.
Amys Finger zitterten, als sie die beiden Babys mit einem weiteren Tuch um Emirs Schultern und Hüften festband, denn noch nie war sie ihm so nahe gewesen. „Sind Sie sicher, dass Sie die beiden tragen können?“
„Ich habe schon ganz andere Lasten getragen.“ Er machte Raoul, dem Helfer, ein Zeichen, das Pferd zu bringen. Als er sich mühelos in den Sattel schwang, wurden die Zwillinge unruhig. Vielleicht merkten sie, dass sie von Amy getrennt werden sollten.
„Sie werden sich schon wieder beruhigen“, sagte Emir.
Aber war es denn nicht ihre Aufgabe, den beiden den Übergang zu erleichtern? So schmerzhaft es auch sein würde, sie wollte dabei sein, wenn sie den Fremden übergeben wurden. Sie wollte bis zum letzten Moment für die Mädchen da sein.
„Ich komme mit.“ Die Worte kamen ihr hastig über die Lippen. „Es ist besser für die Mädchen, wenn ich neben ihnen her reite. Dann kann ich sie später auch füttern.“
„Das bleibt Ihnen überlassen.“ Emir ließ sich die Erleichterung nicht anmerken. Er hatte sich schon besorgt gefragt, wie er allein fertig werden sollte – nicht auf dem Ritt, sondern auch in der Oase.
Als er sah, wie zögerlich Amy sich dem Pferd näherte, als er erkannte, dass ihre Angst echt war, nahm er sich die Zeit, das zu übersetzen, was Raoul sagte. „Das ist Layyinah. Sie ist, wie ihr Name schon sagt, die sanfteste aller Stuten.“
Layyinah war ein wunderbares Tier, reinweiß und elegant, schöner als jedes Pferd, das Amy je gesehen hatte, mit riesengroßen dunklen Augen und einer langen Mähne.
„Sie ist wunderschön“, sagte Amy ehrfurchtsvoll.
„Eine reinrassige Araberstute, geschaffen für dieses Land. Wir vertrauen auf die Tiere, und sie erwidern dieses Vertrauen. Layyinah wird auf Sie achten.“
Amy verspürte den Wunsch, auf den Rücken des Pferdes zu steigen, so nervös sie auch war. Sie brauchte jedoch mehrere Versuche, bis sie im Sattel saß, etwas, das ihr früher so mühelos gelungen war. Allerdings war die weite Robe, die sie trug, auch äußerst hinderlich. Sie war dankbar, dass Emir sie so geduldig ermunterte und ihr Zeit ließ, sich im Sattel zurechtzusetzen.
Die Araberstute tänzelte unruhig, und Emir lehnte sich vor und griff nach den Zügeln. „Kef“ , sagte er leise und erklärte Amy: „Das heißt Halt.“ Er sah sie fragend an. „Wie fühlt es sich an?“
„Gut“, gestand sie. „Beängstigend, aber gut.“
„Wir werden langsam reiten“, versicherte er. „Es gibt also keinen Grund, nervös zu sein.“
Oh doch, den gab es, aber das würde sie ihm nicht verraten.
Sie zogen los, und schon bald merkte Amy, wie sehr sie das Reiten vermisst hatte. Es war damals ein großer Teil ihres Lebens gewesen, aber sie hatte sich nicht vorstellen können, wieder mit dem Reiten anzufangen. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass sie den Tag erleben würde, an dem sie genug Mut besaß, sich wieder auf den Rücken eines Pferdes zu schwingen, und doch war dieser Tag nun völlig
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