Julia Extra Band 373
die richtigen Entscheidungen für ihr Land und sie treffe. Deshalb ist es nur gerecht, wenn ich ihnen ebenso vertraue.“
„Mit Ihren Kindern?“
„Ich hatte Sie bereits ermahnt, die Gebräuche unseres Landes nicht infrage zu stellen. Und erneut muss ich Sie daran erinnern.“
Mit vor Ärger brennenden Wangen hob Amy die Zwillinge hoch und brachte sie in ihren Schlafbereich. Vielleicht hat Emir ja recht, dachte sie mit einem grimmigen Lächeln. Vielleicht brauchte sie die Zeit in der Wüste. Sie hatte sich schon viel zu sehr daran gewöhnt, dass andere die schlichten Arbeiten für sie erledigten, dass sie nur Bescheid sagen musste, und sofort zubereitete Milchfläschchen und fertige Mahlzeiten wie von Zauberhand auftauchten. Hier jedoch hatte sie in einer ungewohnten Umgebung für zwei hungrige Babys zu sorgen.
Es dauerte lange, bevor sie die quengelnden Babys endlich zum Einschlafen gebracht hatte, und sie war alles andere als gut gelaunt, als sie schließlich zu einem auf Kissen ruhenden Emir in den Wohnbereich zurückkehrte.
„Es gibt Traditionen, die bewahrt und befolgt werden müssen. Setzen Sie sich, und ich werde versuchen, Ihnen zu erklären, was nun stattfinden wird.“
Es war ungewohnt, auf den niedrigen Kissen zu sitzen, und nach gestern Nacht fühlte sie sich nicht wohl dabei, mit ihm allein zu sein. Ihm jedoch machte es scheinbar nichts aus, er sah sie nicht einmal an. Es schien ihn zu langweilen, dass er eine Erklärung abliefern musste.
„Ich kann verstehen, dass Sie es für grausam halten, aber das ist es nicht …“
„Ich habe es nicht grausam genannt, sondern schroff“, stellte sie richtig. „Und hätte ich vorher Bescheid gewusst, hätte ich die Mädchen besser darauf vorbereiten können.“
Emir akzeptierte ihren Einwand mit einem Nicken, und jetzt sah er sie auch an, erkannte, dass ihr Ärger aus der Sorge um seine Kinder herrührte. „Es war ein schwieriges Jahr, ich bin froh, dass die Mädchen Sie hatten.“
Seine plötzliche Liebenswürdigkeit entwaffnete Amy. Sie vergaß, sich für das Kompliment zu bedanken, aber er schien es auch nicht zu erwarten.
„Ich habe dem hier nicht mit Freuden entgegengesehen, vielleicht habe ich es deshalb nicht vorher erklärt. Weil ich nicht daran denken wollte. Hannah wollte es auch nicht. Sie wünschte sich, dass es so lange wie möglich hinausgezögert wird. Selbst wenn sie noch lebte, und mit dabei sein könnte, wäre es schwierig.“
Amy spürte, welche Anstrengung es ihn kostete, Miene und Stimme ausdruckslos zu halten.
„Hannah hätte ihre Babys hier nicht stillen dürfen. Es ist die Zeit, in der Kinder lernen müssen, ohne die Muttermilch auszukommen. Der Tradition zufolge sollen sie eine ganze Woche durch die Wüste ziehen und nur Früchte essen und Wasser trinken. Die Wüstenbewohner heißen es nicht gut, dass ich ihnen die Mädchen nur für eine Nacht überlasse, und König Rakhal war ebenso dagegen. Doch ich erklärte ihm, dass meine Kinder schon seit ihrer zweiten Lebenswoche ohne Muttermilch auskommen müssen.“
„Und deshalb war er bereit, eine kürzere Dauer zu akzeptieren?“
„Sicherlich nicht um meiner Töchter willen.“ Hass schwang in Emirs Stimme mit. „Aber seine Frau ist schwanger, und ich erinnerte ihn daran, dass diese Regel auch für sein Kind gilt.“ Er lächelte ein seltenes Lächeln. „Vermutlich hat Königin Natasha es herausgefunden.“
Amy erwiderte das Lächeln. Die Neugier wuchs in ihr. Da gab es so vieles von diesem Mann, das sie nicht wusste, so vieles, das sie unterstellte und womit sie wahrscheinlich völlig falsch lag. Es sprach Bände, dass dieser stolze König zu seinem Rivalen gegangen war und um einen Gefallen gebeten hatte, aber es verwirrte sie nur noch mehr.
„Natasha ist Engländerin“, drang seine Stimme in ihre Gedanken. „Ich kann mir vorstellen, dass sie genauso dagegen ist.“ Er grinste jetzt düster. „Der arme Rakhal.“
„Die arme Natasha“, murmelte Amy leise. „Wenn Rakhal genauso starrsinnig ist wie Sie.“
Er beschrieb ihr die nächsten Schritte und sagte, dass sie bald losziehen mussten. „Der Wind frischt auf, und wir müssen die Oase noch heute erreichen, vor ihrem ersten Geburtstag.“
Er hat nur das Beste für die Mädchen im Sinn, erkannte Amy, auch wenn er es nicht immer zeigt. Und schon wieder verwirrte er sie, denn es war Emir, der zu den Zwillingen ging, sobald sie aufwachten, und sie sanft in feste Schals wickelte. Als er dann auf Clemira
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