Julia Extra Band 373
sachlich, auch wenn sie jetzt verstand, wieso Emir die Zeremonie so lange hinausgezögert hatte. „Wenn sie hungrig genug sind, werden sie essen. Sie trinken inzwischen ja auch das Wasser.“
„Sie sind verwöhnt“, brummte Emir, als Clemira den nächsten Bissen ausspuckte.
„Ich weiß“, gab Amy reuig zu. „Und das ist allein meine Schuld. Es tut mir leid.“
Zu ihrem Erstaunen lachte Emir auf. Schon ewig hatte sie ihn nicht mehr lachen gehört. Seit der Ankunft in der Oase war er anders, obwohl die Zwillinge bockten und quengelten. Er schien viel entspannter, mehr wie ein Vater mit seinen Töchtern, und als sie aufschaute, ertappte sie ihn dabei, wie er sie musterte. Errötend wandte sie den Blick ab, doch er sah sie weiterhin an.
Sie ahnte ja nicht, dass sie hier verführt werden sollte, wusste nichts von den Absichten, die der Mann hegte, der hier so ruhig und gelassen neben ihr saß.
„Ich kritisiere Sie gar nicht, ich bin froh, dass Sie sie verwöhnen“, meinte er. „Und Sie hatten recht – ich hätte Ihnen vorher Bescheid sagen sollen, dann hätten Sie die beiden vorbereiten können.“
„Wenn ich es mir genauer überlege … ich hätte gar nicht gewusst, wie ich das hätte anstellen sollen. Sie werden panische Angst haben, wenn die Beduinen sie mitnehmen.“
„Es sind freundliche Menschen, sie werden ihnen kein Leid antun.“
Doch er selbst war nicht wirklich mit dem Herzen dabei. Noch immer konnte er sich an das Trauma seiner Kindheit erinnern, meinte die eigenen Schreie zu hören, als der weise alte Mann ihn damals geholt hatte. Er hasste die Regeln, an die er gebunden war. Hasste Rakhal. Da war es trostreicher für seine Seele, wenn er Amy ansah und über die andere Option nachdachte.
„Was wird morgen passieren, wenn wir wieder im Palast sind?“ Amy musste einfach etwas sagen, Emirs Musterung machte sie nervös. „Wird es eine große Geburtstagsfeier geben?“
„Ja. Hassan, mein Bruder und der Zweite in der Thronfolge, sollte eigentlich auch kommen.“
„Sollte?“, fragte sie nach.
„Er hat großes Interesse an Pferden.“ Emir lächelte spöttisch. „Sie nehmen den größten Teil seiner Zeit in Anspruch.“
Auch wenn Amy Prinz Hassan nicht persönlich kennengelernt hatte, so hatte sie doch von seinem wilden Lebenswandel gehört – natürlich nur Gerüchte, getuschelt hinter vorgehaltener Hand. Und da man über solche Dinge nicht offen sprach, schwieg sie auch lieber. Deshalb war sie überrascht, als Emir von allein fortfuhr.
„Obwohl ich sein übermäßiges Interesse an Pferden nicht gutheißen kann. Er sollte endlich erwachsen werden.“
„Vielleicht ist er glücklicher, wenn er es nicht tut.“
„Vielleicht“, stimmte er zu und gestand sich ein, dass er seinen jüngeren Bruder verstehen konnte.
Schon oft hatte er ihn darauf angesprochen, doch die Ermahnungen hatten keine Wirkung gezeigt. Er verstand auch nicht, warum Hassan über die ganze Welt von Casino zu Casino reiste, wenn er doch hier in Alzan alles hatte, was ein Mann sich wünschen konnte. Unermesslichen Reichtum und jede Frau seiner Wahl.
Er sah zu Amy, die Sand durch ihre Finger rieseln ließ und zu einem kleinen Hügel aufhäufte. Zum ersten Mal war Emir sich des Ausgangs mit einer Frau nicht sicher, doch der Jagdinstinkt meldete sich, die Spannung vor dem Sieg. Und er verstand Hassan plötzlich ein wenig besser.
„König Rakhal wird auch zur Zeremonie kommen.“
„Mit seiner Frau?“
Emir schüttelte den Kopf. „Nein. Königin Natasha soll bald niederkommen, deshalb ist es besser, wenn sie nicht reist. Sie scheint sehr glücklich mit ihrem Leben dort zu sein“, näherte Emir sich vorsichtig dem Thema. „Ich hätte es nicht erwartet, aber sie hat sich bestens in ihre Rolle eingefügt.“
„Darf ich Sie etwas fragen?“ Dass Emir sie noch immer ansah, nahm Amy als Aufforderung, das Gespräch in Gang zu halten. „Selbst wenn das Baby ein Mädchen werden sollte, darf es trotzdem herrschen. Wieso?“
Das war nicht die Frage, die er sich erhofft hatte, denn es sah nicht so aus, als könnte Amy sich selbst auch nur einen Moment in der Rolle der Königin vorstellen. „Sie wissen, dass Alzan und Alzirz einst ein Reich waren, oder?“
Sie nickte. „Alzanirz.“
„In der königlichen Linie hat es immer Zwillinge gegeben. Vor langer Zeit wurden dem Herrscher Zwillingssöhne geboren, doch in der unerwarteten Aufregung wurde es verpasst, den Erstgeborenen zu kennzeichnen, sodass man den wahren
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