Julia Extra Band 373
kennen, als sie Clemira an sich drückte. Schließlich hatte sie mitbekommen, dass ihre vier Besucher heute Morgen noch wie eine glückliche Familie gewirkt hatten. „Es muss schwer sein, Abstand zu halten. Ich meine, Sie kennen sie ja seit ihrer Geburt.“
„Wieso sollte es schwer für mich sein?“ Amys Alarmsirenen schrillten auf. Sie sah der Königin direkt ins Gesicht. Natasha wirkte, als wüsste sie genau, wie schwer es Amy fiel, aber niemand durfte es wissen. Niemals! Deshalb versuchte sie verzweifelt, Natasha von dem Gedanken abzulenken. „Ich bin nur die königliche Kinderfrau, so wie Kuma hier die Kinderfrau ist.“
Natasha erkannte, dass sie zu weit gegangen war, und machte – zu spät – einen Rückzieher, wollte retten, was zu retten war. Amy würde sich ihr nicht anvertrauen. „Natürlich, es ist Ihr Beruf. Eines Tages werden Sie schließlich eigene Kinder haben.“
Amy war es leid, dass andere Frauen es als ein von Gott gegebenes Recht ansahen, Kinder zu bekommen. Vielleicht war sie auch die Geheimniskrämerei leid, war die ständige Höflichkeit leid und die Versuche, es zu überspielen, wenn andere mitten durch ihre Seele trampelten. „Um genau zu sein – ich kann keine Kinder bekommen.“ Sie sah das Blut in Natashas Wangen schießen, gleich darauf verlor ihr Gesicht alle Farbe. Und Amy wusste, dass Natasha ahnte, wie es um Emir und sie stand. Hatten sie sich gestern Abend verraten, indem sie sich zu bemüht aus dem Weg gegangen waren? Oder war ihre Liebe wirklich für jeden sichtbar?
Ja, es war Liebe.
Amy unterdrückte das bittere Schluchzen, doch aus ihrer Stimme konnte sie es nicht zurückhalten. „Für die Anwesenden beim Frühstück mag es ein Fauxpas gewesen sein, dass die Zwillinge mich ummi rufen, aber für mich ist es jedes Mal wie ein Stich ins Herz. Aber jetzt …“ Sie wollte allein sein. Natasha war nicht ihre Freundin, und es war ihr auch gleich, ob sie die Königin war und zudem in ihrem eigenen Zuhause. „Könnten Sie es bitte einfach gut sein lassen?“
„Amy …“
„Bitte!“ Hätte sie den Kopf gehoben, hätte sie die Tränen in Natashas Augen gesehen. So aber hörte sie nur das leise Klicken des Türschlosses, als Natasha das Zimmer leise verließ.
Tränen, die noch immer in Natashas Augen schimmerten, als sie ihren Platz am Tisch einnahm und zu Emir schaute. Stolz und aufrecht saß er da, doch völlig unnahbar. Natasha hatte diesen Ausdruck schon einmal auf seinem Gesicht gesehen – damals, als er Hannah verloren hatte. Grau und angespannt, tiefe Trauer in den Zügen.
Emir sah auf. Als er das Mitgefühl in Natashas Augen erkannte, wusste er, dass sie es wusste. Amy hatte sie die Wahrheit wissen lassen.
Sie würde niemals Königin werden können.
8. KAPITEL
Der Tag kam, den er am meisten fürchtete. Emir stand im Morgengrauen auf, und tiefe Inbrunst lag in seinem Morgengebet.
Er hatte kein volles Jahr vergehen lassen, bevor er eine andere Frau berührt hatte, deshalb betete er um Vergebung. Doch seine Seele sagte ihm, dass es nichts zu vergeben gab. Es waren auch nicht die Worte, die sie hören wollte.
Er hörte, wie Hannah aus dem Grab zu ihm sprach. Verzweifelt bat sie ihn darum, die Worte zu sagen. Denn wie sollte sie sonst in Frieden ruhen können?
„Ich werde die beste Entscheidung treffen.“
Noch immer war sie nicht zufrieden, noch immer drängte sie ihn, tiefer zu forschen. Doch er wagte es nicht.
Emir ging ins Kinderzimmer, wo Amy auf dem Sofa saß und den Zwillingen vorlas. Er wagte es nicht, sie anzusehen.
Später dann fuhr er mit dem Wagen in die Wüste, die beiden Mädchen auf dem Rücksitz, um Hannah zu besuchen und ihr Respekt zu zollen.
Seit fünf Tagen waren sie aus Alzirz zurück. Fünf Tages des Schweigens. Fünf Tage der Verleugnung.
Und ein ganzes Leben, angefüllt mit Schweigen, lag noch vor ihnen.
„Wenn …“ Als sie wieder beim Palast ankamen, sagte Amy nur dieses eine Wort, doch darin war alles enthalten: Wenn es nicht mehr zu ertragen ist, wenn es zu schwer wird, wenn die Nacht nicht vorbeigehen will … Und wieder hatte sie sich als Lügnerin preisgegeben.
Emir wandte sich um, wartete nicht, bis die Wachen die Türen seines Arbeitszimmers für ihn öffneten, sondern schritt sofort hinein. Patel und die Ältesten schoben hastig Papiere zusammen, doch er wusste, was sie hier machten. Er verzichtete auf jede Höflichkeit, ging zu seinem Schreibtisch und nahm die Seiten auf.
„Prinzessin Jannah von Idam?“ Ein
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