Julia Extra Band 373
definitiv zu wünschen übrig! Allerdings war es wirklich angenehm warm im Wagen. Warm und behaglich – was sich sofort änderte, als er sich hinters Steuer setzte. Und als er den Motor startete, schrillten bei ihr die Alarmsirenen.
„Was haben Sie vor?“
„Ich mache die Straße frei, damit die Leute pünktlich zu ihrer Arbeit kommen können.“ Er streifte sie mit einem verächtlichen Blick, bevor er in eine Einfahrt fuhr, wendete und den Wagen auf der anderen Straßenseite parkte.
Logisch. Das hätte sie sich auch selbst denken können. Nur war sie erstaunt, dass sie überhaupt noch einen klaren Gedanken fassen konnte, nachdem sie eine Viertelstunde in dem eiskalten Schneeregen zu Fuß zur Arbeit unterwegs gewesen war.
Sie streifte sich die nasse Kapuze vom Kopf. „Mir geht es gut, wirklich. Ich bin zwar nass und mir ist kalt, mein Stolz ist angekratzt, aber ansonsten bin ich unverletzt.“
Nick sah ihr an, wie sie fröstelte, jetzt, da die Kapuze das Gesicht nicht mehr verdeckte. Ihre Lippen waren leicht bläulich, und sie klapperte mit den Zähnen. „Ich fahre Sie nach Hause. Sie brauchen dringend eine heiße Dusche und etwas Trockenes zum Anziehen.“
„Danke, aber das ist nicht nötig“, erwiderte die Frau spröde. „Ich komme so oder so schon zu spät zur Arbeit.“
„Da sind Sie nicht die Einzige“, gab er trocken zurück. Sein Meeting um halb zehn konnte er jetzt definitiv streichen. „Aber so können Sie nicht an Ihrem Arbeitsplatz auftauchen.“
„Natürlich kann ich das.“ Sie zog die Kapuze wieder über und verzog das Gesicht, weil die so unangenehm kalt und feucht war. „Ich habe eine Garnitur zum Wechseln in der Schule, dort kann ich mich umziehen.“
„Sie arbeiten an der St. James’s?“ Er musterte sie genauer.
Sie war jung, Anfang, Mitte zwanzig. Sie trug kein Make-up, dafür kleine goldene Stecker in den Ohrläppchen. Ihr Aufzug – Dufflecoat, schwarze Hose, schwarze Stiefel – wirkte eher praktisch denn modisch. Schlanke Hände, kurze gepflegte Nägel, keine Ringe an den Fingern … Wahrscheinlich eine Küchenangestellte, vermutete Nick. Das würde auch erklären, wieso sie sich in der Schule umziehen konnte. Als Küchenangestellte trug sie natürlich spezielle Arbeitskleidung.
„Wie Sie möchten.“ Er lenkte seinen Wagen aus der Parklücke und fuhr zum Haupteingang der Schule zurück.
Er war froh, dass das Ganze so glimpflich ausgegangen war. Durch das höchst unbefriedigende Gespräch mit Bekka war er nämlich abgelenkt gewesen, er hatte die Frau wirklich nicht gesehen. Jetzt warf er ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Ich gebe Ihnen meine Karte. Nur für den Fall, dass Sie im Laufe des Tages doch Auswirkungen des Unfalls bemerken und sich mit mir in Verbindung setzen wollen.“
Beth betrachtete den Mann neben sich, nahm jetzt den teuren Maßanzug wahr und den edlen Mantel, eine goldene Uhr schmückte sein Handgelenk. Gut möglich, dass er, so vermögend, wie er wirkte, der Vater einer ihrer Schülerinnen war.
Ihre Position an der St. James’s gefiel ihr mehr, als sie erwartet hätte. Vor über einem Jahr hatte sie die Stelle an der Mädchenschule angenommen. Aufgewachsen in Südengland als einziges Kind liebevoller Eltern, hatte sie keinerlei Erfahrung mit Privatschulen gehabt, bevor sie nach London gezogen war. Bis dahin hatte sie in der nächsten Kleinstadt neben dem Dörfchen, in dem ihre Eltern wohnen, an einer gemischten öffentlichen Schule unterrichtet. Der einzige Nachteil war, dass zahlende Eltern sehr viel mehr Mitspracherecht beim schulischen Alltag einforderten und die Lehrer insofern den Eltern Rechenschaft schuldeten.
Wenn dieser Mann also tatsächlich der reiche Vater eines der Mädchen auf der St. James’s sein sollte, musste sie sich ihren nächsten Schritt genau überlegen.
„Wenn jemandem die Schuld für diesen harmlosen Unfall zukommt, dann mir selbst. Ich war unachtsam und bin auf die Straße gelaufen, ohne mich umzusehen.“
Diese Frau war eigentlich richtig schön, bemerkte Nick zusammenhangslos. Lavendelblaue Augen, die Sommersprossen auf der Nase und der Teint wie Porzellan … Er fragte sich, welche Farbe ihr Haar wohl hatte, wenn es trocken war. Rot natürlich, aber eher hell- oder dunkelrot …?
Jetzt verlor er endgültig den Verstand! Zehn Monate in der Doppelrolle als Vater und Mutter und das ständige Jonglieren mit der Zeit zwischen den Geschäftsinteressen seines Unternehmens und seiner Tochter verlangten scheinbar
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