Julia Extra Band 373
Laune sank auf den Tiefpunkt, als Bekkas letzte Worte in seinem Kopf widerhallten, bevor sie die Autotür zugeknallt hatte und im Schulgebäude verschwunden war. „Mummy hätte es erlaubt!“
Vier kleine Worte, die unweigerlich für Schuldgefühl bei Nick sorgten. Vier kleine Worte – und jedes Mal gab Nick jedem noch so unmöglichen Vorhaben seiner Tochter nach. Diese Worte hatten ihm bereits drei Katzen eingebracht, die sich einbildeten, seine einzige Existenzberechtigung wäre es, sich um sie zu kümmern, und einen Hund, der öfter ihn aus dem Haus zu verjagen versuchte als mögliche Einbrecher. Dann war da auch noch der Hamster, den Bekka von einer Freundin übernommen hatte, weil die plötzlich eine Allergie entwickelt hatte, und nicht zu vergessen die Maus, die Bekka im letzten Moment vor den Katzen gerettet hatte.
Nein, irgendwo musste er eine Grenze ziehen. Und das würde er jetzt tun. Ob es Bekka passte oder nicht, eine unbekannte Witwe einzuladen und nächste Woche den Weihnachtsfeiertag mit ihr zu verbringen, war einfach zu viel.
Zufrieden mit seiner Entscheidung, fuhr er langsam an, um sich in den Verkehr einzureihen. Schließlich sollte er irgendwann auch noch in seinem Büro ankommen …
Genau diesen Moment wählte ein Fußgänger, den Kopf gegen das ungemütliche Wetter eingezogen, um vom Bürgersteig herunter und vor seinen Wagen zu treten.
Die Kapuze ihres Dufflecoats über den Kopf gezogen, sah Beth gerade noch aus den Augenwinkeln, dass der Wagen sich in Bewegung setzte, dann spürte sie auch schon den Aufprall an ihrem Schenkel. Nicht fest, aber es reichte aus, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und in ihrem Versuch, sich wieder zu fangen, rutschte sie natürlich prompt im Schneematsch aus und landete hart auf ihrem Allerwertesten – mitten in einer riesigen eiskalten Pfütze.
Na großartig! Jetzt war nicht nur ihr Mantel tropfnass, sondern sie war bis auf die Haut durchnässt.
„Sind Sie verletzt?“, hörte sie eine besorgte tiefe Stimme gleich über sich.
„Sie meinen, außer in meinem Stolz?“ Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit. „Nein, mir ist nichts passiert.“
Ihre Versicherung schien der Mann als Einladung aufzufassen, dem eigenen Schrecken Luft zu machen. „Wie können Sie einfach blind auf die Straße laufen? Verdammt, ich hätte Sie überfahren können!“ Entschlossen fasste er sie am Arm und half ihr auf.
„Das halte ich doch eher für unwahrscheinlich, da Sie ja kaum Tempo Zehn fuhren“, gab sie trocken zurück, strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht und sah den Mann endlich an.
Und sah noch ein zweites Mal hin. Wie wohl jede Frau es getan hätte!
Denn wenn sie schon angefahren und ihr Stolz zerstört werden musste, dann war es wenigstens ein Trost, wenn ein solcher Mann es tat. Er sah so gut aus, dass er ganz allein einen von diesen Pin-up-Kalendern für Frauen hätte füllen können.
Er musste Mitte dreißig sein und war gut dreißig Zentimeter größer als Beth mit ihren einen Meter fünfundsechzig. Etwas zu langes dunkles Haar wellte sich um ein Gesicht mit markanten Zügen, einem sinnlichen Mund und hypnotisierend hellen Augen. Silber oder grau, so genau konnte Beth das nicht sagen. Und dann diese muskulöse Gestalt mit den breiten Schultern …
Sie war pitschnass. Sie war in eine Pfütze gefallen. Sie kam definitiv zu spät zur Arbeit. Und da stand sie hier und bewunderte den Fahrer des Wagens, der sie angefahren hatte.
Was sagte ihr das?
Vermutlich, dass es Zeit wurde, die selbst auferlegte Einsamkeit zu beenden.
„Hören Sie, ich habe doch schon gesagt, dass alles in Ordnung mit mir ist.“ Sie zog den Arm aus seinem Griff. „Sie werden nur nass. Steigen Sie wieder ein und …“
„Wir beide steigen ein.“ Erneut fasste er ihren Arm und wollte sie zu seinem Mercedes ziehen.
Sie sträubte sich entschieden. „Ich steige nicht zu fremden Männern ins Auto.“
Nick wandte sich ihr zu, nahm mit einem Blick ihre Erscheinung wahr. Dunkle, rote Haarsträhnen klebten an einem blassen Gesicht mit großen blauen Augen und unzähligen Sommersprossen, ihre Kleidung war komplett durchnässt, einschließlich der schwarzen Stiefel. „Werden Sie wohl endlich einsteigen?“, fragte er ungeduldig. „Falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte … wir verursachen hier einen Verkehrsstau.“ Und damit zog er die Beifahrertür auf.
Der Mann mag ja verboten attraktiv sein, dachte Beth, als sie unwillig einstieg, aber seine Manieren lassen
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