Julia Extra Band 373
auf Ihr Privatleben“, beharrte sie.
„Und Privatleben heißt …?“
„Dass ich mit Ihnen beiden zum Essen ausgehe“, erklärte sie ungeduldig. „Dass ich mit zum Bowlen komme. Dass ich den Weihnachtstag hier mit Ihnen in diesem Haus verbringe …“ Sie musste sich sammeln, ihre Stimme wollte brechen. „Oder auf Bekka aufpasse und hier Dinner für Sie beide koche …“
„Beth …“
„Bitte, Nick … fassen Sie mich nicht an.“ Sie wich vor ihm zurück, jetzt bleich wie ein Geist. „Es war sehr hart für mich, als Ben und meine Eltern … als sie alle plötzlich nicht mehr da waren. Aber irgendwie habe ich überlebt, Schritt für Schritt habe ich mich aus dem Tief herausgearbeitet. Ich habe überlebt, Nick!“
„Ja, das sehe ich.“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen, um nicht dem Impuls nachzugeben, sie in eine tröstende Umarmung zu ziehen. Er wollte all den Kummer ungeschehen machen, den sie erlitten hatte. Sie war zu jung, zu zierlich und viel zu zerbrechlich, um so gelitten zu haben, und doch hatte sie es geschafft, hatte den Tod der Eltern und ihres Mannes überlebt.
„Und ich habe vor, das auch weiterhin zu tun“, fügte sie entschlossen an.
„Indem Sie sich von allen Gefühlen abschotten?“
Tränen glitzerten in ihren Augen. „Wir beide wissen schließlich sehr gut, wie das geht, nicht wahr?“
Nick hatte die stachlige Schale, mit der Beth die Welt auf Abstand hielt, durchdringen wollen, hatte sich gewünscht, dass sie ihm persönliche Dinge über sich erzählen würde, völlig gleich, was, solange sie ihm nur Einblicke in ihr Wesen gewährte.
Aber damit hatte er sie verletzt, hatte an altem Schmerz und Erinnerungen gerührt und sie wieder an die Oberfläche gezogen.
„Die Lichter am Auto sind aus, Daddy“, verkündete Bekka fröhlich, als sie in die Küche zurückkam. „Und die Sternsinger stehen vor unserer Haustür.“ Aufgeregt schob sie die Hand in die ihres Vaters. „Können wir zuhören und etwas in ihre Sammelbüchse werfen, Daddy?“
Nick riss den Blick von Beth los und lächelte auf seine Tochter hinunter. „Natürlich können wir.“ Er drückte ihre Finger und sah dann wieder zu Beth. „Kommen Sie mit?“
„Ich … nein. Ich mache die Kasserolle noch fertig, und dann bestelle ich ein Taxi für mich. Aber geht nur, ihr beide …“, drängte sie aufgeräumt.
Nick runzelte düster die Stirn. „Unser Gespräch ist noch nicht beendet, Beth.“
„Ich denke, es wurde alles gesagt, was zu sagen war, meinen Sie nicht auch?“
Einen Augenblick studierte er sie stumm, bis er Bekka an seiner Hand zupfen fühlte. Und so ließ er sich von seiner Tochter zur Haustür ziehen.
Beth schob den Auflauf in den Backofen, bestellte ein Taxi und setzte sich an den Küchentisch. Sie musste dringend hier weg, weg von der häuslichen Szene mit Bekka und Nick. Weg von der Flut von Emotionen, die durch sie hindurchrauschte und in der sie zu ertrinken drohte.
Sie hatte Ben so sehr geliebt, war am Boden zerstört gewesen, als er starb. Um mit seinem und dem Tod ihrer Eltern fertig zu werden, hatte sie den einzigen Weg gewählt, der sich ihr bot. Sie war weggezogen von dem Ort, an dem sie so viele glückliche Jahre verbracht hatte, um in London in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen. In einer Stadt, in der niemand sie kannte, in der sie ein ruhiges und abgeschottetes Leben führen konnte, weit ab von jeglicher emotionalen Bindung.
Jetzt hier mit Nick und Bekka zusammen zu sein, gab ihr Einblicke in ein Leben, das sie für sich selbst schon lange ausgeschlossen hatte. Ein reiches Leben, angefüllt mit Freude und Glück. Ein Leben mit einem Ehemann und Kindern …
Nach Bens Tod hatte Beth sich immer wieder gesagt, dass sie, wenn sie nicht mehr liebte und sich nicht mehr nach diesen Dingen sehnte, auch nicht mehr verletzt werden könnte. Dass sie dann nie wieder den Schmerz durchleben müsste, den der Verlust von geliebten Menschen heraufbeschwörte.
Jetzt erkannte sie, wie unsinnig es gewesen war, sich einzubilden, sie könnte alle Gefühle per Knopfdruck abstellen. Wie dumm es doch war, sich so etwas vorzumachen. Denn die kurze Zeit hier mit Nick und Bekka verdeutlichte ihr, dass es bereits zu spät war. Ohne es zu bemerken, hatten sich Gefühle in ihr entwickelt, nicht nur für Bekka, sondern auch für Nick.
Und wie tief genau gingen die Gefühle für ihn?
Sie wagte es nicht, sich einzugestehen, dass es mehr als reine Anziehungskraft sein sollte. Wenn sie nicht
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