Julia Extra Band 374
berühmt war. Vorzugsweise beides. Und dieses Apartment hatte eine ausgesprochen maskuline Note. Die unverputzten Wände, die schwarzen Ledersofas und mehrere Flatscreen-Fernseher ließen auf einen männlichen Bewohner schließen. Auf einen alleinstehenden , denn es gab zu viele Kunstobjekte in Form nackter Frauenkörper. Jen konnte nicht an dem riesigen Gemälde im Flur vorbeigehen, ohne daran erinnert zu werden, dass sie eine eher knabenhafte Figur hatte. Und sie war davon überzeugt, dass ausschließlich Frauen hierherkamen, die eine oder wenige Nächte blieben und kein Mitspracherecht bei der Einrichtung hatten.
Nun gratulierte sie sich selbst zu ihrem Scharfsinn. Offenbar hatte sie den falschen Beruf ergriffen.
Alexander Hammond. Filmproduzent. Vielfacher Preisträger. Playboy und Millionär.
Jen ließ die Vase los. Daraufhin gab er ihre Hände frei und stand auf.
Er trug einen perfekt sitzenden dunklen Anzug mit einem weißen Hemd, das am Kragen offenstand. Sein dichtes dunkles Haar war kurz, sein Teint leicht gebräunt. Er war unrasiert, was seine markanten Züge noch unterstrich.
Plötzlich wurde Jen bewusst, was für einen Anblick sie bieten musste. Sie errötete und erhob sich ebenfalls vom Bett. Dabei erhaschte sie leider einen Blick in den Spiegel auf der gegenüberliegenden Wand. Auf einer Seite klebte ihr das Haar am Kopf, auf der anderen war es völlig zerzaust. Außerdem trug sie einen uralten Pyjama mit kurzer Hose, in dem sie nicht unscheinbarer hätte wirken können.
Um ihre Unsicherheit zu überspielen, atmete sie tief durch und funkelte ihn an. „Sie bezahlen mich dafür, dass ich hier wohne“, erinnerte sie ihn.
„Ich tue was?“, fuhr Alex Hammond sie an.
„Sagt Ihnen Housesitters.com etwas? Ich bin hier, um doppelten Schutz gegen Eindringlinge zu gewährleisten.“
„Indem Sie mir meine eigene Vase auf den Kopf schlagen?“
Eine Entschuldigung konnte sie von ihm also nicht erwarten. Eine solche Arroganz war typisch für diese Medienleute!
„Was hatten Sie denn erwartet? Schließlich sollten Sie im Ausland sein“, erklärte Jen ärgerlich. „Ich bin nur hier, damit das Apartment bewohnt aussieht.“
Beschwichtigend hob er die Hand. „Dass ich Sie aufs Bett geworfen habe, war eine automatische Reaktion. Gleich beim Eintreten hatte ich das Gefühl, dass jemand hier eingedrungen ist.“ Er nahm die Vase vom Bett und stellte sie wieder auf die Kommode. „Meine Assistentin hatte Sie gebucht. Anscheinend hat sie vergessen, es wieder rückgängig zu machen.“
„Rückgängig?“
Alex blickte sie an. „Offenbar liegt ein Missverständnis vor. Die Situation hat sich geändert, und ich brauche meine Wohnung selbst.“
Ja, sie hatte es in der Zeitung gelesen. Und für sie bedeutete es, dass sie gleich gehen und ihren Job bei der Littleford Gazette wieder aufnehmen konnte – und das kam überhaupt nicht infrage.
Momentan hatte sie unbezahlten Urlaub. Das Blatt war wirklich gut, aber sie hatte keine Lust, bis zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn über Gummistiefelweitwurfwettbewerbe und Vandalismus am Dorfteich zu berichten. Sie hatte große Pläne. Und das hier war der Anfang, denn sie gab dieses Apartment als ihres aus.
Vor drei Monaten hatte sie ein Praktikum bei Gossip ! begonnen, einem auflagenstarken Frauenmagazin. Sie hatte sich förmlich in die Arbeit gestürzt und sich von ihrem bescheidenen Honorar nur ein möbliertes Zimmer in Hackney leisten können. Am Ende ihres Praktikums hatte sie der Chefredakteurin vorgeschlagen, selbst einen Artikel zu schreiben, und von dieser grünes Licht bekommen.
Sie wollte das Leben der Millionäre aus der Sicht einer Durchschnittsfrau schildern. Und wenn sie mit diesem Artikel einen Erfolg landete, wäre dieser ihre Eintrittskarte für eine Festanstellung.
Schon seit Jahren interessierte sie sich für den Lebensstil der Reichen und Schönen. Wer hätte es nicht getan mit einem Vater, der beides war? Nur leider verfügte er über keine der anderen Eigenschaften, die ein Vater haben sollte – oder er sparte sie für seine ehelichen Kinder auf. Schon seit ihrer Kindheit hatte Jen sich gefragt, wie ihr Leben in einer Parallelwelt aussehen könnte. Nun hatte sie die Gelegenheit, es herauszufinden und gleichzeitig beruflich aufzusteigen.
Sie konnte entweder Karriere bei einer der größten Frauenzeitschriften Großbritanniens machen und in ihrer Traumstadt London leben oder wieder über Hundeschauen in der Littleford Gazette
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