Julia Extra Band 374
überlagerte den beißenden Geruch der Tönung.
„Keine Ursache. Eigentlich tue ich es für mich“, erwiderte er über ihrem Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich es vier Wochen mit einem Muppet aushalten würde.“
Als Jen das hochmoderne Studio von Marlon Cobelli betrat, verglich sie es unwillkürlich mit dem altmodischen Salon, in dem ihre Freundin Elsie ihr alle paar Monate die Spitzen schnitt. In einer Ecke stand ein modern geschmückter Weihnachtsbaum. Dieser Salon war Welten von allem entfernt, was sie bisher gesehen hatte.
Bisher hatte sie sich Starstylisten immer so vorgestellt, dass diese wahnsinnig trendy, herrisch und auf brutale Weise ehrlich waren und einen auf jeden Schönheitsfehler hinwiesen. So setzte sie eine gleichgültige Miene auf und klammerte sich an die Hoffnung, dass Marlon das genaue Gegenteil von Elsie war, was seine Stylingfähigkeiten betraf.
Marlon entsprach genau ihren Vorstellungen. Außerdem war er schwul und begrüßte Alex mit Wangenküsschen. Erstaunt beobachtete Jen, wie dieser die Geste ganz selbstverständlich erwiderte.
Unwillkürlich bewunderte sie ihn. Ihr Exfreund Joe, der es sechs Monate mit ihr ausgehalten hatte, hätte mit noch tieferer Stimme gesprochen und irgendeine Fußballanekdote erzählt, bevor er die Flucht ergriffen hätte.
„Das ist Jen.“ Alex umfasste ihre Arme und schob sie weiter, als würde er spüren, wie unwohl sie sich fühlte.
Seine Berührung löste etwas in ihr aus. Sie schluckte und versuchte, sich auf den Stylisten zu konzentrieren.
Marlon trug ein figurbetontes Hemd mit Blumenprint und schwarze Skinnyjeans, dazu spitze gleichfarbige Schuhe. Verblüfft betrachtete er sie, als sie das Basecap abnahm, das Alex ihr geliehen hatte, und ihr Haar ausschüttelte.
„Oh, Schätzchen!“, rief er mitfühlend. An Alex gewandt, fügte er hinzu: „Wir fangen auf jeden Fall mit dem Haar an.“ Er kam auf sie zu und hakte sie unter.
Während er sie aus dem Raum führte, drehte Jen sich noch einmal zu Alex um. Er hatte in dem mit Ledersofas und W-LAN ausgestatteten Wartebereich Platz genommen und lächelte ihr aufmunternd zu, was ihr Herz sofort schneller schlagen ließ. Er war wahnsinnig attraktiv und hatte sich als weniger ichbezogen erwiesen, als sie vermutet hatte. Als er seinen Laptop aufklappte, wandte sie sich wieder um und erhaschte dabei einen Blick in den Spiegel. Gequält verzog sie das Gesicht. Alex konnte nur Mitgefühl für sie empfinden. Er war mit Frauen wie Viveca Holt zusammen.
Tröstend tätschelte Marlon ihr die Hand. „Keine Angst, Süße“, meinte er. „Ich liebe Herausforderungen.“
Im Friseursalon übergab er sie einer erschreckend jungen und stylishen Assistentin, die sich allerdings als ausgesprochen nett erwies.
„Ich habe eine Weile bei einer Talentshow gearbeitet“, vertraute sie ihr an. „Eine verunglückte Tönung bringt mich so schnell nicht aus der Fassung.“
Als Jen sich einige Stunden später im Spiegel betrachtete, erkannte sie sich selbst kaum wieder. Ihre neue Haarfarbe war fantastisch, ganz natürlich, und kam durch den perfekten Schnitt noch besser zur Geltung. Auch das dezente Make-up wirkte Wunder. So konnte sie mühelos mit den jungen Frauen in der Brasserie konkurrieren. Jen fühlte sich richtig beschwingt. Endlich hatte sie das Gefühl, als könnte sie den Artikel doch fertigstellen.
Marlon erschien wieder, als sie aufstand und den Umhang abnahm.
„Sie sehen fabelhaft aus, Schätzchen!“, rief er entzückt, doch dann fiel sein Blick auf ihr altes T-Shirt und die Jeans aus dem Kaufhaus. „Sehen wir uns mal die Sachen an, die Sie im Internet gekauft haben.“
Der Mut verließ sie, als sie Marlon in einen rundum verspiegelten Ankleideraum mit glänzendem schwarzem Fußboden folgte. Nun konnte sie ihre knabenhafte Figur von allen Seiten betrachten. Toll!
Er schob sie hinter einen Paravent.
Alex überflog seine E-Mails und bat die junge Assistentin, ihm noch einen Kaffee zu bringen. Er hatte jetzt genug Zeit, um die Notizen für den Entwurf zu einem neuen Drehbuch zu beenden. Er konnte es nicht erwarten, wieder mit seiner Arbeit zu beginnen. Zum Glück lenkte Jen ihn ab, und er überlegte, ob er ihr noch auf andere Art und Weise helfen konnte. Mit ihr zusammenzuleben war alles, nur nicht langweilig. Unbehaglich führte er sich vor Augen, dass ihre Spontaneität ihm einen Kick verschaffte.
Nun las er eine Nachricht von seiner PR-Agentur, die ihm riet, an einem Wohltätigkeitsball für
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