Julia Extra Band 374
außer Gefecht setzte. Wie konnte ich nur glauben, dass jemand, der nur alte Damen frisiert, es schafft, mich in Viveca Holt zu verwandeln?“
„Viveca?“
Wie war sie bloß auf diesen Namen gekommen? Auf keinen Fall wollte sie wie Viveca aussehen.
„Das war nur symbolisch gemeint.“ Verzweifelt ballte sie die Hände zu Fäusten. „Hätte ich mich im Internet bloß nicht so gehen lassen, wäre das nie passiert.“
„Ich verstehe nicht ganz“, erklärte Alex sichtlich verwirrt. „Beruhigen Sie sich erst mal, und erzählen Sie mir dann alles.“
Jen atmete tief durch. „Ich habe nur ein Minibudget für dieses Projekt, obwohl ich meine ganzen Ersparnisse hineingesteckt habe. Da ich beim Ersteigern der Designersachen etwas über die Stränge geschlagen habe, habe ich kaum noch Geld für eine Typveränderung übrig. Elsie wollte mir via Skype zeigen, wie ich alles umsonst haben kann“, fügte sie hinzu und deutete dabei mit einem Nicken auf den Laptop. Nun, da ihre Tränen getrocknet waren, wuchs ihr Zorn wieder.
Schweigend zog Alex sein Smartphone aus der Tasche und begann zu scrollen.
„Nur zu, rufen Sie wieder Ihren Anwalt an“, sagte sie bitter. „Aber in unserer Vereinbarung steht nichts davon, dass Sie mich wegen einer schrillen Haarfarbe rauswerfen können.“
Beschwichtigend hob er die Hand, woraufhin sie frustriert auf den Stuhl neben dem Waschbecken sank und das Gesicht in den Händen barg.
„Marlon?“, sagte er dann ins Telefon. „Ich bin’s, Alex. Super, danke, und dir? Prima. Kann ich einen Termin bekommen? Haare, Make-up, Styling und so weiter. So bald wie möglich. Wir kommen zu dir. Tut mir leid, es ist etwas kurzfristig, aber es handelt sich um einen Notfall.“
Jen ließ die Hände sinken und blickte ihn mit klopfendem Herzen an.
„Gleich morgen früh? Perfekt!“ Er schaltete das Handy aus.
„Marlon?“, hakte sie nach.
„Marlon Cobelli. Er ist der Stylist, den ich immer engagiere, wenn ich in London bin. Er ist etwas überkandidelt, aber er versteht etwas von seinem Fach. Er wird Sie wieder hinbekommen.“
Sofort schöpfte sie wieder Hoffnung, doch dann wurde ihr klar, was das bedeutete.
„Ich kann mir die Preise hier nicht leisten!“, verkündete sie frustriert.
Verzweifelt verdrehte Alex die Augen. „Das habe ich auch nicht erwartet. Betrachten Sie es als Weihnachtsbonus.“
Aber sie hielt an ihren strengen Prinzipien fest. Sie würde es allein schaffen. Langsam schüttelte sie den Kopf.
„Danke, aber das kann ich unmöglich annehmen. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen.“
„Und warum nicht?“
„Es hat nichts mit Ihnen zu tun. Ich verlasse mich nur nicht gern auf andere.“
„Sie haben sich doch auch gerade auf Mrs Skype verlassen.“ Er deutete auf den Laptop.
„Das ist etwas anderes. Sie ist eine alte Freundin und war mir noch etwas schuldig. Außerdem kennen Sie mich nicht einmal.“
„Sie würden also eher Ihren Traum aufgeben als ein bisschen Hilfe annehmen?“, hakte er ungläubig nach.
„Mit diesem Artikel möchte ich mir selbst etwas beweisen.“ Jen zuckte die Schultern. „Ich erwarte gar nicht, dass Sie es verstehen.“
Alex betrachtete sie forschend. „Glauben Sie, ich wäre jetzt weniger erfolgreich, nur weil ich meine Freunde damals praktisch zwingen musste, ohne Honorar in meinem ersten Film mitzuspielen? Oder weil ich mir fünfhundert Pfund von meinem Dozenten am College leihen musste, um Requisiten kaufen zu können? Manchmal muss man Hilfe annehmen. Jeder braucht einen Freund.“
Er schaute sie unerwartet mitfühlend an. Plötzlich kämpfte sie wieder mit den Tränen.
Es entging Alex offenbar nicht, denn er seufzte resigniert. „Ich habe mich vertraglich verpflichtet, Ihnen mit Ihrem Image zu helfen. Und jetzt delegiere ich meine Aufgaben. Glauben Sie mir, Marlon eignet sich viel besser dafür. Oder sehe ich wie ein Experte für Frauenklamotten aus?“
Nachdenklich betrachtete Jen ihre Hände. Entweder nahm sie sein Angebot an, oder sie kehrte nach Littleford zurück. Bei der Vorstellung stieg Verzweiflung in ihr auf. Und seine Worte vermittelten ihr das Gefühl, dass sie nicht versagt hatte, wenn sie sein Angebot annahm. Wenn sie zurückkehrte, hätte sie versagt. Erleichterung überkam sie. Spontan stand Jen auf und umarmte ihn.
„Danke“, sagte sie, das Gesicht an seiner Schulter.
Sie spürte, wie er ihr die Hand um die Taille legte. Hitze wallte in ihr auf. Und der verführerische Duft seines Aftershaves
Weitere Kostenlose Bücher