Julia Extra Band 374
getröstet, was er in Kindheit und Jugend hatte erdulden müssen.
Dann hörte sie, wie er etwas auf Italienisch sagte und weiterging. Enttäuscht ließ sie sich zurück auf ihr Kissen fallen. Antonio hatte ihr nicht geglaubt, und er traute ihr immer noch nicht!
Damit befand er sich in bester Gesellschaft, denn sie traute sich selbst nicht. Wahrscheinlich hätte sie ihn in ihrem Bett willkommen geheißen und es anschließend bedauert …
Nein. Isabella war ehrlich genug, es sich einzugestehen: Sie hätte es nicht bereut, denn es wäre eine einmalige Chance für einen Neubeginn gewesen.
„Antonio?“
Er hatte nicht gehört, wie sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer geöffnet hatte, und blickte überrascht von seinem Laptop auf.
Sein Atem stockte, als er Isabella auf der Schwelle stehen sah. Ihr langes blondes Haar war zerzaust, ihr Gesicht ungeschminkt, und sie trug lediglich ihren Slip und ein viel zu weites weißes T-Shirt. Sie war eine unwiderstehliche Kombination aus Unschuld und Sünde.
Das Shirt reichte ihr noch nicht einmal bis zu den Oberschenkeln, und durch das dünne Material zeichneten sich die Spitzen ihrer Brüste deutlich ab. Antonio biss die Zähne zusammen. Lass es! hämmerte er sich ein, konnte jedoch den Blick nicht von ihren nackten Beinen wenden.
„Ja?“, fragte er mit belegter Stimme.
Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr. „Es ist schon spät.“
Es war zu spät. Er hatte seine Chance vertan. Nach der Aussprache im Auto hatte er gehofft, sie würde zu ihm kommen, mit ihm ins Bett gehen. Doch sie war in ihr Gästezimmer verschwunden. Sie war nicht bereit, in seine Arme zurückzukehren.
Trotzdem hoffte er. Ständig kreisten seine Gedanken um Isabella, obwohl er sich dringend hätte konzentrieren müssen. Nach Gios Tod stand er jetzt in der Verantwortung für das Familienvermögen – an ihm war es jetzt, die drohende finanzielle Katastrophe abzuwenden, die Gio durch seine Fehlinvestitionen heraufbeschworen hatte.
Dennoch drehte sich bei ihm alles um Isabella.
„Du solltest um diese Zeit nicht mehr arbeiten.“
„Ich habe viel zu tun.“ Fahrig strich sich Antonio mit dem Handrücken über die Stirn.
„Kann ich dir vielleicht helfen?“
Isabella und ihm helfen? Sie war die personifizierte Verführung, und er wusste genau, wo ihr Hilfsangebot enden würde. Schon einmal hatte sie ihn auf den Gipfel des Glücks gelockt, nur um ihn danach in einen dunklen Abgrund zu stürzen.
Was war es eigentlich, das sie für ihn so unwiderstehlich machte? Ihre Figur? Ihr Lächeln? Ihre Anschmiegsamkeit? Nein, es war mehr. Es war Isabellas Warmherzigkeit und Großzügigkeit, die sprühende Lebensfreude, die sie verbreitete, die sein Leben plötzlich hatte hell werden lassen. Isabella hatte sein Apartment von einem Mausoleum in ein glückliches Heim verwandelt.
Trotzdem hatte sie ihn betrogen. Oder nicht? War er sich gestern noch sicher gewesen, plagten ihn heute Zweifel. Dennoch wollte es ihm nicht gelingen, Isabella als unschuldiges Opfer seines intriganten Bruders zu sehen.
Warum fällt es mir nur so schwer, ihr zu glauben?
„Wie bitte?“ Isabella stieß sich vom Türrahmen ab und kam näher.
Erst jetzt bemerkte Antonio, diese für ihn unlösbare Frage laut geäußert zu haben.
„Du hast mich vorhin gefragt, weshalb ich es nicht fertigbringe, dir zu vertrauen. Das beschäftigt mich“, erklärte er.
„Leider hast du dich vor der Antwort gedrückt.“
„Weil ich sie nicht weiß“, bekannte er grimmig.
„Du hast dich nie nach meiner Erfahrung mit Männern erkundigt, Antonio, vielleicht, weil du mir von Anfang an nicht vertraut und von vornherein das Schlimmste vermutet hast. Deshalb lass es mich jetzt nachholen, damit du nicht länger spekulieren musst. Vor dir hatte ich drei Beziehungen, die nie lange hielten und sich auch nicht überschnitten. Ein One-Night-Stand gehörte nicht dazu. Außer mit dir bin ich mit niemandem gleich am ersten Abend intim geworden.“
Nur drei? Antonio atmete auf. Er rechnete es Isabella hoch an, ihn nicht nach seinem Vorleben zu fragen. Eine ehrliche Antwort hätte ihn in äußerst schlechtem Licht dastehen lassen. Gewiss, mit ihm war sie gleich am ersten Abend ins Bett gegangen, doch sprach das gegen sie? Zwischen ihnen war es auf den ersten Blick zu einer ganz besonderen Verbindung gekommen.
„Es war wirklich ein außergewöhnlicher Tag“, sagte er versonnen. „Er war perfekt – zu perfekt.“
„Zu perfekt?“ Sie zog die Brauen hoch.
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