Julia Extra Band 375
Spiegel entgegenblickte.
Eigentlich hätte er sich vor dem Dinner noch rasieren müssen, aber dazu war es jetzt zu spät. Nun würde seine Verabredung damit leben müssen, dass er mehr einem übernächtigten Croupier ähnelte, als einem wohlhabenden, erfolgreichen Architekten.
Er schloss den obersten Hemdknopf und zog seine Seidenkrawatte zurecht. Und jetzt keine negativen Gedanken mehr! Seine Arbeit war für heute getan. Er würde mit einer Frau essen gehen, die ihn von der ersten Sekunde an bezaubert hatte, und er hatte vor, jede Sekunde dieses Abends zu genießen.
Vor seiner halb geöffneten Bürotür blieb er kurz stehen und atmete noch einmal tief durch, bevor er eintrat.
Noch ehe er sie sah, stieg ihm ein schwacher Hauch ihres Parfums in die Nase … ein zarter, blumiger Duft, der augenblicklich sein Blut in Wallung brachte. Als sein Blick schließlich auf die schlanke, dunkelhaarige Gestalt fiel, die vor seinem Schreibtisch stand, blieb ihm förmlich die Spucke weg. In dem eleganten cremefarbenen Wollmantel, unter dem sie ein schlichtes schwarzes Cocktailkleid trug, sah sie nicht aus wie eine Kellnerin aus einem Vorstadtcafé, sondern wie eine Millionenerbin.
„Sie haben es also geschafft“, sagte er leise.
„Ja. Obwohl ich nicht weiß, warum ich überhaupt gekommen bin.“
„Aber jetzt sind Sie hier, und das ist die Hauptsache. Sie sehen übrigens sehr schön aus.“
„Danke“, erwiderte sie sichtlich befangen. „Normalerweise ziehe ich mich nicht so an, aber ich wusste nicht, wohin wir gehen würden, also … ach, egal. Sie sind doch hoffentlich nicht sauer, weil ich so spät dran bin? Die U-Bahn steckte über zwanzig Minuten fest, und ich will mir gar nicht vorstellen, warum. Jedenfalls tut es mir leid, dass ich Sie so lange habe warten lassen.“
„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Obwohl Sie meinen Vorschlag abgelehnt haben, sich von meinem Fahrer hierher bringen zu lassen.“
„Vorschlag?“ Layla lachte hell auf. „Für mich hat es eher wie ein königlicher Befehl geklungen. Aber ich nehme an, Sie sind daran gewöhnt, den Leuten zu sagen, was sie zu tun haben, und dass es dann auch getan wird.“
Drake erwiderte nichts. Was sie gesagt hatte, traf absolut zu. Natürlich wollte er nicht, dass sie ihn für einen Pascha hielt, aber er hatte ja den ganzen Abend Zeit, um ihr zu beweisen, dass er auch andere Seiten hatte …
„Und jetzt stehe ich in Ihrem Büro und kann kaum fassen, was ich sehe …“ Fasziniert blickte Layla um sich. „Ich dachte mir schon, dass es beeindruckend sein würde, aber mit einem sechseckigen Glasgebilde, das wie die Kulisse eines Science-Fiction-Films aussieht, hatte ich wirklich nicht gerechnet. Wie in aller Welt konstruiert man so etwas?“
„Ein sechseckiges Gebäude ist sicher schwerer zu entwerfen, als ein viereckiges, aber dafür bietet es ein bedeutend interessanteres Innenleben“, erläuterte Drake. „Mir ist es wichtig, die Nutzungsmöglichkeiten von Geschäfts- und Wohnräumen zu erweitern, und ich hoffe, dass die Menschen es genießen, darin zu leben und zu arbeiten. Mögen Sie es?“
„Mir gefällt das viele Glas …“ Langsam ließ Layla den Blick von links nach rechts schweifen und dann nach oben zur Decke, die einen atemberaubenden Blick auf den dunkler werdenden Himmel bot. „Tagsüber muss man hier geradezu im Licht baden.“
„Nicht nur tagsüber“, berichtigte Drake. „Besonders bei Vollmond ist es hier auch nachts so hell, dass man ohne zusätzliche Lichtquelle arbeiten könnte. Manchmal komme ich extra hierher, um mir dieses Schauspiel anzusehen. Es sieht einfach fantastisch aus … als hätte jemand eine strahlend helle, glitzernde Decke über den Himmel gespannt.“
Warum habe ich das jetzt gesagt? fragte sich Drake. Er hatte noch nie jemandem von seinen sporadischen nächtlichen Ausflügen hierher erzählt. Was in aller Welt hatte ihn dazu getrieben, so offen zu ihr zu sein?
„Soll ich Sie ein bisschen herumführen?“, fragte er, um sie von seiner allzu persönlichen Aussage abzulenken.
Ihre weichen Wangen röteten sich leicht. „Vielleicht ein anderes Mal. Wollen wir nicht lieber essen gehen?“
Er lächelte. „Ist das ein Hinweis darauf, dass Sie hungrig sind?“
„Das bin ich auf jeden Fall. Aber eigentlich geht es darum, dass ich mich in Büros nicht besonders wohlfühle. Nicht einmal in einem so schönen wie Ihrem. Sie lassen mich an die Zeit denken, die ich selbst dort verbracht habe, und auf diese
Weitere Kostenlose Bücher