Julia Extra Band 375
ist frontal in die Betonschutzwand einer Autobahn gerast. Natürlich war er mal wieder voll wie eine Haubitze. Er war sofort tot.“
Obwohl Drake sich alle Mühe gab, es zu verbergen, war nicht zu übersehen, wie aufgewühlt er war. „Das Auto hat nicht einmal ihm gehört“, fuhr er mit tonloser Stimme fort. „Er hatte es von irgendeinem Saufkumpanen geliehen, der tatsächlich geglaubt hat, er würde es in einem Stück zurückbekommen. Angeblich hatte er vor, mich an der Uni zu besuchen, aber sofern er nicht ein religiöses Erweckungserlebnis gehabt hat, halte ich das für ein Ammenmärchen.“
„Mein Gott, Drake!“ Layla war sichtlich bestürzt. „Es muss schon hart genug gewesen sein, niemanden von zu Hause zu haben, der dich während deines Studiums unterstützt. Aber zu erfahren, dass dein Vater ums Leben gekommen ist, während er vermutlich unterwegs war, um dich zu besuchen …“
„Du glaubst, dass das hart für mich war?“ Die alten Wunden, die er unter einer dicken Schicht aus Bitterkeit und Feindseligkeit begraben hatte, konnten noch immer eine mörderische Wut in ihm auslösen. „Das Einzige, was ich bei der Nachricht von seinem Tod empfand, war Erleichterung.“
„Du sagtest, er war grausam. Ist das der Grund, warum du nicht bei ausgeschaltetem Licht schlafen kannst?“
Drake spürte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich. „Bevor er abends in die Kneipe ging, hat er immer sämtliche Glühbirnen in meinem Zimmer herausgeschraubt und mich im Dunkeln eingeschlossen. Und wenn er im Morgengrauen zurückkam, ist er sofort ins Bett gefallen, ohne vorher nachzusehen, ob ich okay bin.“
„Aber … warum hat er das getan?“
„Weil er der Meinung war, dass es einen Mann aus mir machen würde. Jedenfalls hat er das behauptet. Ich glaube eher, es war reiner Sadismus.“
„Du hättest mit jemandem darüber reden sollen, Drake. Einem Lehrer oder Sozialarbeiter. So ein unmenschliches Verhalten fällt unter Kindesmisshandlung und ist strafbar.“
„Das klingt so einfach, aber wie soll ein verängstigtes Kind seine private Horrorgeschichte erzählen, wenn es sich dafür in Grund und Boden schämt? Wenn es insgeheim überzeugt davon ist, dass es etwas Schlimmes getan haben muss, um es zu verdienen?“
„Du hast nichts Falsches getan, du warst doch nur ein kleiner Junge! Dein Vater war der Erwachsene in der Familie. Er hätte sich vernünftig um dich kümmern müssen. Und es war auf keinen Fall deine Aufgabe, dir Liebe und Fürsorge zu verdienen . Es ist das fundamentale Recht jedes Kindes auf der Welt, geliebt und beschützt zu werden. Ich wünschte, jemand hätte dir das schon früher gesagt. Dann hättest du nicht all die Jahre so viel Scham und Angst mit dir herumschleppen müssen.“
Drake zuckte die Schultern. „Es hat aber niemand getan, und ich bin bisher trotzdem ganz gut durchs Leben gekommen. Ende der Geschichte.“
„Es mag dir gelungen sein, dich trotz der Umstände irgendwie durchzuschlagen, aber das ist nicht das Ende der Geschichte, Drake. Nicht wenn du noch immer unter Albträumen leidest und Angst hast, im Dunkeln zu schlafen.“
„Das soll nicht deine Sorge sein, ich komme damit zurecht. Können wir jetzt das Thema wechseln?“
„Ich habe noch eine Frage, wenn du nichts dagegen hast.“
„Natürlich habe ich etwas dagegen, aber frag trotzdem. Danach bin ich an der Reihe.“
„Was ist mit deiner Mutter?“ Layla war sich deutlich bewusst, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte. „Hast du sie je wiedergesehen, nachdem sie verschwunden ist?“
„Nein. Sie wollte offensichtlich ein neues Leben anfangen und uns beide vergessen.“
„Warum sollte sie ihren kleinen Sohn vergessen wollen? Ich bin sicher, dass das nicht stimmt, Drake. Die pure Verzweiflung muss sie zu diesem Schritt getrieben haben.“
Drake kippte einen Schluck von dem inzwischen kalt gewordenen Kaffee hinunter und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Verzweifelt oder nicht, sie hat vermutlich irgendwo ein besseres Leben gefunden und wollte nicht riskieren, es wieder zu verlieren, indem sie zurückkam, um mich zu holen.“
Entnervt sprang er auf die Füße. Es war ihm unaussprechlich zuwider, dass all dieser Mist wieder hochkam. Er fühlte sich ausgeliefert und verletzbar gegenüber der Frau, an der ihm jetzt schon viel zu viel lag.
Plötzlich hasste er Layla für die Macht, die sie über ihn hatte. Für die Beharrlichkeit, mit der sie ihn dazu getrieben hatte, erneut in seine
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