Julia Extra Band 375
Sie, ja?“
„Der Kaffeeautomat in Ihrem Büro ist ja kaum zu übersehen.“
„Da haben Sie wohl recht. Ich habe eben meine Ansprüche.“
„Das macht das Leben sicher nicht eben einfacher“, entgegnete sie.
„Wie meinen Sie das?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Was tun Sie, wenn mal etwas nicht ganz perfekt ist?“
„Dann verschwende ich keine Zeit damit. Warum sollte ich mich mit etwas Minderwertigem beschäftigen?“ Er nippte an seinem Kaffee, entschied dann aber, sich an seine eigenen Worte zu halten, und setzte den Becher in den Halter. „Ich habe schon sehr früh gelernt, dass man nur bekommt, was man sich nimmt.“
„Stimmt.“
Die Härte in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen. Er schien einen Nerv getroffen zu haben. Welche schwere Lektion hatte sie wohl lernen müssen, fragte er sich. Was auch immer sie durchgemacht hatte, man sah es ihr nicht an. Ihre Züge waren klar und jugendlich und zeigten keine Spuren schwieriger Lebensumstände. Andererseits wusste er selbst nur allzu gut, dass es auch Wunden gab, die man nicht sah.
Welche Wunden sie wohl hat?
Neugierig sah er zu ihr hinüber. Wie er gestern bemerkt hatte, waren an ihrem Gesicht alle Gefühle und Gedanken außerordentlich gut abzulesen. Im Geschäft eine fatale Eigenschaft, aber äußerst faszinierend zu beobachten. „Wie lange arbeiten Sie schon für Bishop Paper?“
„Warum wollen Sie das wissen?“
„Ich bin neugierig“, antwortete er. „Wir werden den ganzen Tag miteinander verbringen. Eine gute Gelegenheit, meine Sekretärin besser kennenzulernen.“
„Ich arbeite jetzt schon seit Wochen für Sie, und bisher haben Sie sich auch nicht für mich interessiert.“
Weil ich bis jetzt noch nicht bemerkt hatte, wie interessant Sie sein können. „Bisher hatten wir noch nie zwei Stunden am Stück, um miteinander zu sprechen.“
„Wohl wahr.“
Darüber scheint sie ja hocherfreut zu sein, dachte Charles mit einem Schmunzeln. „Also“, setzte er noch einmal an, „wie lange arbeiten Sie bereits bei Bishop Paper?“
„Im April werden es achtzehn Jahre.“
„So lange schon. Sie müssen sehr jung gewesen sein, als Sie angefangen haben.“
Sie runzelte die Stirn. „Ziemlich jung.“
„Macht Ihnen die Arbeit Spaß?“
„Ich möchte meinen Job gern behalten, wenn Sie das meinen.“
„Keine Sorge, Sie stehen nicht auf der Abschussliste.“ Zumindest nicht während meiner kurzen Amtszeit hier. Hoffentlich wird Xinhua auch so klug sein, sie zu behalten. „Waren Sie schon immer die Sekretärin meines Vaters?“
„Nein, ich habe als einfache Büroangestellte angefangen. Ihr Vater hat mich vor zehn Jahren befördert, als Peggy Flockhart in Rente gegangen ist.“
Peggy. Diesen Namen hatte er schon einmal gehört. Du verbringst mehr Zeit mit dieser Peggy als mit deiner eigenen Frau. „Waren Sie …“, er räusperte sich, weil er plötzlich einen Knoten im Hals spürte. „Standen Sie sich nah?“
„Ich und Peggy?“
„Sie und mein Vater.“
Elizabeth trat auf die Bremse. „Was genau meinen Sie damit?“
„Sie haben selbst gesagt, dass die Firma für meinen Vater wie eine Familie war. Ich möchte nur wissen, wie nah Sie sich standen.“
„So nah, wie Sie meinen, jedenfalls nicht.“
Ihre Antwort war scharf und traf ihn bis ins Mark. „Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu meinem Vater also beschreiben?“
„Wir haben uns gut verstanden. Es war angenehm, für ihn zu arbeiten. Er hat mir – und allen anderen in der Firma – das Gefühl gegeben, dass wir ihm dabei helfen, etwas zu erreichen.“
„Es drehte sich also alles um die Firma.“
„Es ging darum, ein Teil der Firma zu sein“, entgegnete sie. „Das ist etwas anderes.“
„Vielleicht“, antwortete er. „Vielleicht aber auch nicht.“ Charles war bis jetzt nicht klar gewesen, dass er herauszufinden versucht hatte, ob Ron im Laufe der Jahre etwas – oder jemanden – Besseres gefunden hatte. Offensichtlich war für seinen Vater die Firma bis zum Schluss das Wichtigste gewesen. Da hat sich der Anwalt wohl doch geirrt. Der alte Mann hatte sich nicht geändert.
Charles beobachtete die Autos in der nächsten Spur, und ihm fiel auf, dass Elizabeth eine sichere Fahrerin war. Sie navigierte ihren Wagen mit beachtlicher Leichtigkeit durch den Verkehr auf dem Highway. Auch wenn sie die Frage empört hatte, er hätte es seinem Vater nicht verübeln können, wenn er mit seiner Sekretärin angebändelt hätte. Sie war definitiv eine Affäre wert.
Im
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