Julia Extra Band 375
verpasst. „Und außerdem“, fuhr er fort. „Haben Sie früher mit meinem Vater nicht auch an solchen Meetings teilgenommen?“
„Nein. Ron war der Netzwerker. Er brauchte keine Unterstützung, was das anging.“
„Das überrascht mich nicht.“
„Was sagten Sie?“
Charles war nicht klar, dass er den Gedanken laut ausgesprochen hatte, und zwar mit einem so bitteren Unterton, dass Liz darüber vollkommen vergaß, wie verärgert sie war. „Sie sagten, dass Sie das nicht sonderlich überrascht.“
„Überrascht es Sie?“
„Nein, eher nicht. Ron war immer ein ziemlicher Einzelgänger. Das sind Sie übrigens auch.“
„Wohl kaum“, entgegnete er knapp.
„Die Business-Magazine schreiben aber etwas anderes.“
„Die Business-Magazine übertreiben.“
„Inwiefern?“
„Zum einen sind Einzelgänger per se rücksichtslos, was mir vollkommen fernliegt. Ich treffe meine Entscheidungen auf der Basis ökonomischer Erwägungen, einem guten Gespür für Finanzen und nicht nach dem Bauchgefühl.“
„Wollen Sie damit sagen, dass es Ihr Vater anders gehandhabt hat?“
„Ich habe keinen blassen Schimmer, wie mein Vater seine Entscheidungen getroffen hat. Wirtschaftlichkeit kann jedenfalls nicht den Ausschlag gegeben haben.“
„Wie bereits gesagt, wir waren wie eine Familie für ihn.“
Charles antwortet daraufhin nur mit einem verächtlichen Schnauben.
Sie hatten den Eingang des Parkhauses erreicht. Wie auf Befehl öffnete sich die Tür des Fahrstuhls genau in dem Moment, in dem Charles mit dem Finger den Knopf berührte.
„Sie geben nicht viel auf Sentimentalitäten, nicht wahr?“
„Ich gebe viel auf Zahlen“, antwortete er. „Auf Überschüsse und Defizite, Gewinne und Verluste. Dinge, die man sehen und berechnen kann. Keine vagen, aus der Luft gegriffenen Vorstellungen.“
Wie Versprechen zum Beispiel. Schöne Worte, die nichts wert sind. Liz verstand, wovon Charles sprach. „Warum sollte man auch auf etwas bauen, das nicht hält, was es verspricht?“, stimmte sie mit weicher Stimme zu.
„Genau“, antwortete er und sah ihr direkt in die Augen. In den blauen Tiefen meinte sie eine Mischung aus Freude und Überraschung auszumachen. „Emotionen trüben das Urteilsvermögen. Am besten ist es, man lässt sie überhaupt nicht erst zu.“
Eine solche Haltung verheißt wohl eher nichts Gutes für Bishop Paper.
„Es stimmt“, sagte sie. „Sie ähneln Ihrem Vater nicht im Geringsten.“
„Das sagte ich Ihnen doch bereits.“
Liz wusste nicht, was sie erwidern sollte. Eigentlich hätte sie den Mann verabscheuen sollen. Doch etwas an der Art, wie er sprach, ließ sie zögern. Sein hochmütiger Ton klang etwas zu forciert; und seine Fixierung auf Resultate schien zu absolut. Ein Teil von ihr fühlte sogar so etwas wie … Sympathie. War es möglich, dass Charles’ eiskaltes Auftreten nur eine Fassade war?
Ihr Verdacht erhärtete sich, als Charles sie am Ellenbogen festhielt. „Sie haben sich bei dem Meeting gut geschlagen. Gut, dass Sie dabei waren.“
Sie überkam plötzlich ein Gefühl, als würde sie schweben. Doch sie rief sich selbst sofort wieder zur Vernunft.
Was den Verkehr anging, hatten sie kein Glück. Aufgrund der ausgezeichneten Bedingungen zum Skifahren war es nicht besonders erfreulich, an einem Freitagnachmittag auf dem Highway unterwegs zu sein. Es ging nur schleppend voran, und Liz spürte mit jedem Bremslicht, wie die Uhr in Richtung halb sieben vorrückte. Verdammt! Ich werde den Anfang von Andrews Spiel verpassen.
Im Sitz neben ihr wechselte Charles seine Position und stieß ein frustriertes Seufzen aus. Seit sie das Parkhaus verlassen hatten, fühlte auch sie sich aufgewühlt, und in der dunklen Enge ihres Wagens war es unmöglich, sich Charles’ Nähe zu entziehen.
Endlich kündigte ein Schild an, dass sie nur noch wenige Meilen von der Abfahrt nach Gilmore entfernt waren.
Sie warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Sechs Uhr siebenundzwanzig. Bis sie vom Highway abgefahren war, Charles zu seiner Wohnung gebracht hatte und dann zurück bis nach Franklin zur Eishalle gefahren war, würde sie bestenfalls noch das Ende vom letzten Drittel sehen.
„Stimmt etwas nicht?“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Nun, zunächst der Seufzer, den Sie eben von sich gegeben haben. Außerdem klopfen Sie die ganze Zeit auf dem Lenkrad herum, und Sie stöhnen in einem fort leise vor sich hin. Haben Sie etwa eine Verabredung?“
Warum will er das so genau wissen?
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